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Aktionstag gegen die Preislawine

In Frankreich demonstrieren Gewerkschaften landesweit – auch gegen eine geplante Rentenreform

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.

An diesem Donnerstag wird es in Paris und anderen französischen Großstädten zu Massendemonstrationen kommen. Zu dem landesweiten Streik- und Aktionstag haben die CGT und weitere große Gewerkschaften aufgerufen, nicht jedoch die reformistische CFDT. Es geht vor allem darum, angesichts der Preislawine und der Energiepreisexplosion im Gefolge des Ukraine-Krieges und der Sanktionen gegen den Aggressor Russland die Kaufkraft der Löhne, Renten und Sozialhilfeleistungen zu verteidigen.

Gleichzeitig geht es um die Abwendung der geplanten Rentenreform, die die Regierung von Präsident Emmanuel Macron im Eiltempo durchdrücken will und die bis Mitte 2023 in Kraft treten soll. Die Regierung hat bereits erklärt, dass sie dabei auch zum Paragrafen 49.3 der Verfassung zu greifen bereit ist. Diese demokratisch fragwürdige »Brechstange« erlaubt es, eine Abstimmung im Parlament mit der Vertrauensfrage zu verbinden. Mit der Ablehnung eines Gesetzestextes auch gleich die Regierung zu stürzen, davor scheuen die meisten Abgeordneten der rechten und zentristischen Oppositionsparteien zurück. Darum hat das in der Geschichte der seit 1958 bestehenden Fünften Republik immer funktioniert. Das gleiche Szenario wie bei der Rentenreform trifft auch auf die geplante Reform der Arbeitslosenversicherung zu, mit der man dem Ziel der Vollbeschäftigung näherkommen will, mit der sich aber vor allem die Bedingungen für die Arbeitslosen einschneidend verschlechtern würden.

Der nationale Streik- und Aktionstag soll die Unmutsäußerungen und Kämpfe bündeln, die seit Monaten in verschiedenen Landesteilen und Branchen zu beobachten sind. Sie sind zumeist Reaktionen auf die Versuche der Unternehmer, die Beschäftigten durch geringfügige Lohnerhöhungen und Einmalzahlungen ruhigzustellen. Doch das funktioniert immer weniger. Dieser Taktik von Teilzugeständnissen stellen die Gewerkschaften die Forderung nach einer generellen und angemessenen Erhöhung der Löhne, Renten und Sozialzuwendungen entgegen, die sich an der Inflationsrate und der Entwicklung der Energietarife orientiert.

In den vergangenen Wochen kam es bereits in Filialen der Supermarktkette Carrefour in Antibes, Troyes, Limoges, Evreux, Alençon und Toulon zu kurzzeitigen Streiks und Demonstrationen. Von den Kunden brachten viele ihre Solidarität mit den Beschäftigten zum Ausdruck. Diese reagierten sehr unzufrieden auf das Angebot der Unternehmensleitung, die Ende der vergangenen Woche lediglich eine Lohnerhöhung von 2,5 Prozent und eine einmalige »Inflations-Prämie« von 100 Euro in Aussicht gestellt hatte, nachdem die Löhne zuletzt im November 2021 um 1,3 Prozent und im Februar 2022 um 1,5 Prozent aufgestockt worden waren. »Das ist ein Hohn und bleibt weit hinter der Inflation zurück«, meint Nadia Ayad, Betriebsrätin von Force Ouvrière (FO), der führenden Gewerkschaft im Handel. Im August lagen die Preise um 5,9 Prozent höher als im gleichen Monat des Vorjahres, und dies bei weiter steigender Tendenz. Für Anfang des kommenden Jahres steht bereits die Erhöhung der Gas- und Stromtarife um 15 Prozent fest, obwohl die Regierung diese deckelt und die Differenz zu den Marktpreisen mit öffentlichen Mitteln ausgleicht.

Mitte September kam es auch in Werken der Gruppe Stellantis, wo Autos der Marken Peugeot und Citroën gebaut werden, zu spontanen Streiks für Lohnerhöhungen zum Ausgleich für die Inflation. Hier hatte die Direktion eine Erhöhung lediglich um 3,2 Prozent angeboten. »Geld ist genug da in den Kassen des Konzerns«, meint Franck Thèry, Betriebsratssekretär der Gewerkschaft CGT. Er verwies darauf, dass Stellantis allein im ersten Halbjahr 2022 einen Gewinn von acht Milliarden Euro verzeichnete, was einer Steigerung um 34 Prozent innerhalb eines Jahres entsprach, und dass sich das Gehalt von Konzernchef Carlos Tavares um 17,6 Prozent auf 19 Millionen Euro im Jahr erhöhte.

Gewerkschafter Thèry ist überzeugt, dass es angesichts solcher Zahlen eine Provokation der arbeitenden Menschen sei, wenn sich Präsident Macron und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire gegen eine Sondersteuer auf Übergewinne von Großkonzernen sperren, die selbst von Premierministerin Elisabeth Borne sowie von Verkehrsminister Clément Beaune und weiteren Regierungsmitgliedern befürwortet wird.

Den landesweiten Aktionstag sieht die CGT als Teil der vom Europäischen Gewerkschaftsbund lancierten Kampagne für inflationsgerechte Lohnerhöhungen, die bereits zu großen Aktionen in Großbritannien, Italien, Spanien und Belgien geführt hat. Die CGT kündigt bereits einen weiteren Aktionstag für kommende Woche an.

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