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Es könnte genug für alle da sein

Tag gegen Lebensmittelverschwendung: Bündnis fordert Verpflichtungen für Industrie

In Zeiten von Krieg, Wirtschaftskrieg, Treibstoff- und Energiekrisen könnte ein achtsamer Umgang mit Nahrung einen ganz neuen Stellenwert bekommen. Auch in einer Gesellschaft wie der deutschen, wo Essen bislang in den Läden im Überfluss vorhanden ist. Zu teuer war es allerdings schon in der Vergangenheit vielen Menschen hierzulande, und die Inflation in diesem Bereich sorgt dafür, dass es immer mehr werden, die sich gutes Essen nicht leisten können.

Vorschriften, die den Groß- und Einzelhandel verpflichten, noch genießbares Gemüse, Obst, Wurst, Käse, Brot nicht wegzuwerfen, sondern kostenlos etwa den Tafeln oder Essenretter-Organisationen zur Verfügung zu stellen, gibt es aber in der Bundesrepublik bis heute nicht. Vielmehr können Menschen, die entsorgte Lebensmittel retten, noch immer von Lebensmittelkonzernen wegen Diebstahls verklagt werden. Die Bundesregierung von SPD, Grünen und FDP hatte angekündigt, hier Abhilfe zu schaffen und nach französischem Vorbild das Essenretten, auch als »Containern« bekannt, zu entkriminalisieren und Supermarktketten das Entsorgen genießbarer Produkte zu verbieten.

Doch passiert ist in dieser Richtung bislang wenig. Deshalb hat ein von Unternehmen und Initiativen, die Essen vor dem Wegwerfen bewahren und damit Handel treiben, getragenes Bündnis zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zum Internationalen Tag gegen Lebensmittelverschwendung einen Appell an Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) gerichtet. Darin werden konzertierte Aktionen gegen das Problem gefordert. Der Aktionstag wurde 2020 von den Vereinten Nationen ausgerufen und wird diesen Donnerstag zum dritten Mal begangen.

Das Bündnis Lebensmittelrettung fordert, »umgehend alle Beteiligten vom Acker bis zum Handel zu einer Reduzierung« der Verschwendung zu verpflichten. Alle Ansätze, auf freiwillige Selbstverpflichtungen der Industrie zu setzen, seien gescheitert, heißt es in einem Positionspapier des Bündnisses. »Noch bis Ende 2023« müsse daher ein Gesetz zur Lebensmittelrettung beschlossen werden. Es gehe aber nicht nur um Vorschriften, sondern auch um steuerliche Anreize zur Essensrettung. Zudem müsse es endlich Rechtssicherheit für Retterorganisationen geben. Weiter verlangt das Bündnis eine entscheidende Verbesserung der Datenlage zu Erzeugung, Verbrauch und Verlusten entlang der Lieferketten. Nur auf dieser Basis könne man wirksam gegen Verschwendung vorgehen.

Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH, kritisierte, dass die Bundesregierung »bisher keine Zeitenwende« zur Essenrettung eingeläutet hat. Dabei habe sich der Bund bereits 2012 zur Halbierung der Verschwendung bis zum Jahr 2030 verpflichtet. Zehn Jahre später gebe es noch keine Fortschritte, obwohl Lebensmittelverschwendung »teuer, umwelt- und klimaschädlich und vor dem Hintergrund der eskalierenden Lebensmittelkrise unverantwortlich« sei.

Unterdessen haben zwei Lebensmittelretterinnen fast 190 000 Unterschriften für eine Petition zur Entkriminalisierung des Containerns und für ein Lebensmittelrettungsgesetz gesammelt. Vor einer Woche übergaben die jungen Frauen den Appell am Rande der Agrarministerkonferenz in Quedlinburg an Bundesminister Özdemir. Eine vom Bündnis Lebensmittelrettung gestartete Petition hat bislang 28 000 Unterstützer. Darin wird darauf verwiesen, dass aktuellen Erhebungen zufolge in Deutschland jedes Jahr 16,5 Millionen Tonnen Lebensmittel verschwendet werden. Allein wegen der hohen Anforderungen des Handels an das Aussehen ihrer Produkte müssten Landwirte rund 30 Prozent ihrer Ernte entsorgen.

Einer am Montag vom Unternehmensberatungskonzern McKinsey veröffentlichten Studie zufolge werden weltweit jedes Jahr etwa zwei Milliarden Tonnen Lebensmittel vergeudet. Das entspricht 33 bis 40 Prozent der Produktion. Zum Vergleich: Die Welternährungsorganisation FAO ging bisher von 1,3 Milliarden Tonnen jährlich aus. Global entfällt die Hälfte davon auf Handel, Gastronomie und Haushalte zusammen, während die andere Hälfte bei Produktion, Lagerung und Transport entsteht. Lebensmittelverluste und -verschwendung machen demnach 8 Prozent der Treibhausgasemissionen aus.

Insbesondere in den Ländern des Globalen Südens fehlen die Lagerkapazitäten wie Kühlhäuser und Hallen zur Getreidelagerung, sodass ein Großteil des Essens verdirbt oder von Schädlingen geschädigt und gefressen wird, bevor es auf dem Teller landen kann. Dagegen entfallen etwa in Deutschland mehr als die Hälfte der Verluste allein auf das Wegwerfen in den Privathaushalten.

Laut McKinsey könnten 50 bis 70 Prozent der Verluste vermieden werden, wenn Lebensmittelhersteller und -händler die »Bemühungen zur Reduzierung von Lebensmittelverlusten anführen würden und alle Beteiligten der Wertschöpfungskette zusammenarbeiten würden«. An staatliche Planung dürfte die Firma dabei nicht gedacht haben.

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