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Tobias Bank: »In der Mitgliedschaft spüre ich eine gewisse Sorge«
Linke-Bundesgeschäftsführer Tobias Bank kritisiert Sahra Wagenknecht für ihre Rede, will aber hinsichtlich Spaltungsdiskussionen »nicht über jedes Stöckchen springen«.
Herr Bank, am Wochenende wird in Niedersachsen ein neuer Landtag gewählt. Die Linke steht in aktuellen Umfragen bei vier Prozent. Wie groß ist Ihre Hoffnung, dass die Partei den Sprung ins Parlament noch schaffen kann?
Abgerechnet wird am Wahlabend. Ich habe die große Hoffnung, dass wir viele Menschen davon überzeugen können, dass die Linke eine gute Wahl ist. Auf jeden Fall bin ich optimistisch, dass wir besser als in den Umfragen abschneiden werden.
Tobias Bank wurde auf dem Erfurter Parteitag der Linken zum neuen Bundesgeschäftsführer gewählt. Er trat die Nachfolge von Jörg Schindler an, der nicht noch einmal kandidiert hatte. Mit dem 36-Jährigen sprach Max Zeising.
Allerdings steckt die Partei immer noch in der Krise. Wie sehr hat die Debatte um die »Wirtschaftskrieg«-Rede von Sahra Wagenknecht den Wahlkampf belastet?
Die Reaktionen auf die Rede sind sehr unterschiedlich. Einige finden, dass
Wagenknechts Aussagen sogar hilfreich für den Wahlkampf gewesen seien. Andere
finden es nicht gut, dass sie gesprochen hat und was sie gesagt hat.
Welche Schlüsse ziehen Sie aus diesen unterschiedlichen Reaktionen?
Im Prinzip ist es gar nicht so kompliziert. Sahra Wagenknecht hat auch viele richtige Sachen gesagt, mit denen sich eine große Mehrheit der Partei identifizieren kann. Ich arbeite daran, dass wir uns auf diese Punkte konzentrieren: Einführung einer Übergewinnsteuer und einer Vermögenssteuer, eines Gas- und Strompreisdeckels, Verbot von Strom- und Gassperren, ein bundesweiter Mietebdeckel und mehr Unterstützung für das Pflegepersonal.
Allerdings gibt es eben auch Punkte, bei denen keine Einigkeit besteht. Wagenknechts Behauptung, der Westen habe einen Wirtschaftskrieg gegen Russland vom Zaun gebrochen, hat für viel Kritik gesorgt. Es heißt, mit dieser Aussage verstoße sie gegen die Beschlüsse des Erfurter Parteitags, indem sie die russische Verantwortung für den Krieg in der Ukraine relativiere. Teilen Sie diese Kritik?
Sahra Wagenknecht hat den Angriffskrieg Russlands als völkerrechtswidrig verurteilt. Wahr ist aber auch, dass sie zugleich einen Eindruck vermittelt, der es anderen ermöglicht, ihr eine Täter-Opfer-Umkehr zu unterstellen. Hier würde ich mir mehr Klarheit von ihr wünschen.
Hätte Wagenknecht überhaupt reden sollen?
Abgeordnete, die keine Sprecher*innenfunktion innehaben und keine Ausschussarbeit leisten, sollten nicht im Bundestag für die Fraktion reden, schon gar nicht zu einem so wichtigen Thema wie Energiehaushalt, für das wir Fachpolitiker*innen haben. Ich hätte es besser gefunden, wenn die Haushälter*innen (Gesine Lötzsch und Victor Perli sitzen für die Linke im Haushaltsausschuss, d. Red.) diese Aufgabe übernommen hätten.
Welche Verantwortung tragen die Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali dafür, dass es anders gekommen ist?
Die gesamte Fraktion trägt die Verantwortung dafür, wer in ihrem Namen spricht, aber natürlich insbesondere die Fraktionsvorsitzenden.
Die hätten sich auch selbst zu Wort melden können.
Das hätten sie tun können. Es hätte aber auch genauso gut einen Antrag geben können, dass Wagenknecht zu diesem Thema nicht reden solle. Diesen Antrag gab es nicht.
Es gibt von anderen Seiten noch deutlichere Kritik an der Fraktionsführung. Die drei Landespolitikerinnen Juliane Nagel, Henriette Quade und Katharina König-Preuss haben in einem offenen Brief sogar den Ausschluss Wagenknechts aus der Bundestagsfraktion und den Rücktritt der Fraktionschefs gefordert. Auch die Bundestagsabgeordnete Martina Renner hat das Schreiben unterzeichnet. Was halten Sie davon?
Ich fände es besser, wenn Probleme der Fraktion intern geklärt werden. Wenn man den Ausschluss eines Fraktionsmitglieds fordert, sollte man auch den Mut haben, einen entsprechenden Ausschlussantrag zu stellen. Mir sind keine derartigen Anträge bekannt.
Andere wie Sevim Dağdelen und Klaus Ernst verteidigen Wagenknecht und werfen ihren Kritiker*innen vor, diese hätten die Parteitagsbeschlüsse nicht richtig verstanden. Tatsächlich gibt es die Formulierung, dass sich Sanktionen nicht gegen die Bevölkerung richten dürften. Diese zieht Wagenknecht nun für ihre Forderung nach Aufhebung der Sanktionen gegen Russland heran und verweist auf deren Auswirkungen in Deutschland.
Das ist eine Interpretation, die etwas weiter hergeholt ist. Der Parteitag hat entschieden, dass die Sanktionen den militärisch-industriellen Komplex, die Oligarchen und Putins Machtapparat treffen sollen. Mit der Formulierung, dass sich Sanktionen nicht gegen die Bevölkerung richten sollen, ist natürlich die russische gemeint. Grundsätzlich gilt: Wenn ein Land ein anderes überfällt und sich das angegriffene Land zur Wehr setzen möchte, dann sind Sanktionen ein legitimes Mittel.
Das sieht Sahra Wagenknecht anders.
Ihre Auffassung teile ich an dieser Stelle nicht. Wir sind eine Friedenspartei und können nicht mit zweierlei Maß messen. Man muss entschlossen auf den Aggressor reagieren.
Die Linke hat auch beschlossen, die Lieferung fossiler Energiequellen aus Russland stärker einzuschränken, und damit auch Abstand von der Gaspipeline Nordstream 2 genommen. Diese Formulierung wird nun als Grundlage genommen, um Wagenknecht zu kritisieren. Offensichtlich gibt es Unklarheiten hinsichtlich der Beschlusslage.
Die Parteitagsbeschlüsse waren und sind richtig. Aber wir werden in Zukunft noch stärker darauf achten müssen, dass Beschlüsse hinterher nicht vollkommen gegensätzlich interpretiert werden können.
Seit Wochen wird ferner darüber spekuliert, das Wagenknecht-Lager könnte sich abspalten. Droht eine solche Spaltung tatsächlich?
In der Mitgliedschaft spüre ich eine gewisse Sorge, aber gleichzeitig auch eine große Bereitschaft, sich für die Einheit der Partei einzusetzen.
Immerhin hat der Ex-Bundestagsabgeordnete Diether Dehm bereits offen mit einer Alternativkandidatur zur Europawahl 2024 gedroht.
Diese Aussage ist ungeheuerlich. Natürlich kann man immer verärgert darüber sein, dass man nicht mehr in den Bundestag gewählt wurde, was bei Diether Dehm offensichtlich der Fall ist. Diese Aussage kritisiere ich scharf.
Gegenüber t-online sagte Wagenknecht: »Aktuell bin ich Mitglied der Linken. Wenn sich daran etwas ändert, werden Sie es rechtzeitig erfahren.« Lässt sie ihre parteipolitische Zukunft hier bewusst offen?
Diese Äußerung habe ich mit Befremden zur Kenntnis genommen. Und bin darüber enttäuscht, wie ich es von jedem anderen Mitglied auch wäre. Ich erwarte, dass insbesondere bekannte Mitglieder, also zum Beispiel Bundestagsabgeordnete, sich zu unserer Partei bekennen.
Aber die Gefahr einer Spaltung können Sie nicht erkennen?
Die Gründung der Sammlungsbewegung »Aufstehen« war ein solcher Versuch. Aber dieses Projekt ist gescheitert. Und deshalb sollte man jetzt auch nicht über jedes Stöckchen springen.
Was würde eine Abspaltung des Wagenknecht-Lagers für die Linke bedeuten?
Meine Aufgabe als Bundesgeschäftsführer ist es, die Partei zusammenzuhalten. Eine weitere linke Partei hat keinerlei Aussichten gesellschaftliche Relevanz zu entfalteten und sie würde die gesellschaftliche Linke schwächen.
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