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Bei Menstruation keine Schule

Viele Mädchen im Kongo können sich keine Binden leisten. Glorieuse Ndekeninge näht wiederverwendbare

  • Judith Raupp, Goma
  • Lesedauer: 5 Min.
Camilla Kavunga beobachtet ihre Tante Glorieuse Ndekeninge beim Herstellen wiederverwendbarer Binden.
Camilla Kavunga beobachtet ihre Tante Glorieuse Ndekeninge beim Herstellen wiederverwendbarer Binden.

Eigentlich weiß Camilla Kavunga längst Bescheid. Aber es schadet nie, sich die Sache noch einmal erklären zu lassen. Und so schaut die 13-Jährige genau zu, wie ihre Tante Glorieuse Ndekeninge eine Damenbinde aus Vlies in eine Hülle aus Stoff steckt, die man mit Druckknöpfen in der Unterhose befestigen kann. Dank der selbst genähten Damenbinde kann Camilla in die Schule, wenn sie ihre Tage hat.

Das ist keine Selbstverständlichkeit in Goma im Osten der Demokratischen Republik Kongo und in vielen anderen armen Ländern auch nicht. Nach Angaben des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen verpasst eine von zehn jungen Frauen in Ländern südlich der Sahara während der Menstruation die Schule. Erst vor kurzem habe eine Freundin von ihr wegen der einsetzenden Monatsblutung den Unterricht verlassen müssen, erzählt Camilla: »Ich habe ihr meinen Pulli um die Hüften gebunden, damit sie die Flecken auf ihrem Rock verdecken konnte.« Die Freundin habe sich aus dem Klassenzimmer geschlichen und sei nach Hause gegangen.

»Viele Mädchen stopfen während ihrer Tage irgendein Stück Stoff in die Hose«, sagt die Schülerin. Sie findet das ziemlich unhygienisch. Die Mädchen bekämen oft Infektionen. »Außerdem riechen sie unangenehm.«

Ein Grund für das Problem ist die Armut. Eine Packung mit zehn Damenbinden kostet ein bis drei Dollar. Das ist für viele Frauen in Afrika zu teuer. Einer Studie des Kenya Medical Research Institute von 2015 zufolge lassen sich zwei von drei Mädchen in ländlichen Regionen Kenias sogar auf Sex ein, damit ihnen die Männer Slipeinlagen schenken.

Glorieuse Ndekeninge hat wegen der Not der Mädchen gemeinsam mit ihrer kanadischen Stiefmutter und der Organisation »Days for Girls« ein Projekt ins Leben gerufen: Sie näht waschbare Binden. Ein Kit besteht aus der Stoffhülle, die in der Unterhose befestigt wird, mindestens drei Vlies-Einlagen und einem Plastiketui, in dem die Frauen die gebrauchten Binden zum Waschen nach Hause transportieren können.

Die Binden könnten die Frauen drei bis fünf Jahre lang verwenden, sagt Ndekeninge. Das Vlies sei besonders saug- und strapazierfähig und eigens aus dem Nachbarland Uganda importiert. Ein Kit koste zwar zehn Dollar, sei aber auf Dauer billiger als die Binden zum Wegwerfen. Trotzdem kann Ndekeninge nur wenige Frauen davon überzeugen. Kaum jemand ist bereit, auf einen Schlag so viel Geld für die Hygieneartikel auszugeben. Zudem haben manche nicht genug Wasser, um die Binden regelmäßig zu waschen.

Es gibt einige Hilfsorganisationen, die in armen Ländern Frauen finanzieren, die Binden nähen. »Solche Projekte müssen den lokalen Gegebenheiten und der Kultur angepasst sein«, sagt die kongolesische Frauenrechtlerin Lucette Soki Mulekya: »Bei uns sind Menstruation und Sexualität Tabuthemen.« Manche Mädchen wüssten nicht, wie ihnen geschieht, wenn sie zum ersten Mal ihre Tage haben. »Sie geraten in Panik, denken, sie seien schwerkrank und reden mit niemandem darüber«, erzählt Mulekya. Sie wüssten nicht, welche Hygieneartikel es gibt.

Doch auch die Mädchen, die aufgeklärt sind, haben es in vielen Schulen schwer. »Es läuft nicht immer Wasser, die Toiletten bieten keine Privatsphäre, und es fehlen Mülleimer, wo die Mädchen gebrauchte Binden entsorgen können«, berichtet Mulekya. Auch deswegen bleiben junge Frauen dem Unterricht bisweilen fern – mit Konsequenzen für ihre Zukunft. »Wenn die Mädchen fehlen, mindert das ihre schulische Leistung und ihre Karriereaussichten«, beklagt die Frauenrechtlerin.

Für die Sechstklässlerin Camille Kavunga ist das nicht das größte Problem. »Wir helfen uns gegenseitig. Wenn eine Freundin den Unterricht verpasst, geben wir ihr unsere Hefte«, erzählt sie. Viel schlimmer findet sie die Scham. Wenn ein Mädchen Blutflecken auf den Kleidern habe, würden die Jungen sie auslachen. Sogar manche Lehrer machten sich vor der Klasse über sie lustig: »Das ist so erniedrigend!« In Kenia hat sich sogar einmal eine junge Frau das Leben genommen, nachdem eine Lehrerin sie wegen der Blutflecken vor der Klasse gerügt und nach Hause geschickt hatte, berichtete das Informationsministerium 2019.

Im Kongo gibt es das Schulfach »Erziehung zum Leben«. Dort sollen die Lehrkräfte über Sexualität und Pubertät aufklären. Es sind aber oft Männer, die dieses Fach unterrichten. Sie würden alles, was mit Menstruation zu tun hat, für ein »Frauenproblem« halten und das Thema daher weglassen, erzählt Camille. »Wenn du Glück hast, erfährst du gerade einmal, dass die Periode alle vier Wochen kommen sollte.«

Die 13-Jährige wünscht sich, dass Mädchen und Jungen zu Hause und in der Schule aufgeklärt werden. Ginge es nach ihr, müssten zudem in Schulen und Universitäten Automaten mit Binden aufgestellt werden. Für arme Mädchen sollten sie gratis oder zumindest billiger sein. Camille will ihre Freundinnen nicht mehr leiden sehen.

Lucette Soki Mulekya pflichtet ihr bei. Es sei zwar nicht die Mehrheit der Mädchen, die wegen der Menstruation den Unterricht verpasse. »Aber es kann doch nicht sein, dass auch nur eine einzige wegen der natürlichsten Sache der Welt ihre Bildung ruiniert«, empört sie sich.

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