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Folterpraxis gegen Mädchen

Von Genitalverstümmelung betroffene Frauen und Mädchen erhalten in Deutschland zu wenig Hilfe

Immer noch wird die weibliche Genitalverstümmelung in 30 Ländern praktiziert. Nach Schätzungen des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (Unicef) sind weltweit etwa 200 Millionen Frauen und Mädchen betroffen. Das sind mehr als die Bevölkerung von Deutschland, Frankreich und Spanien zusammengerechnet. Jeden Tag müssen rund 8220 Mädchen weltweit diese Art der Folter erleiden.

Laut Unicef werden Mädchen vor allem in Afrika, aber auch in manchen asiatischen Ländern und im Nahen Osten Opfer der rituellen Verstümmelung ihrer Schamlippen und/oder der Klitoris. Betroffen sind aber Frauen und Mädchen weltweit, auch in Deutschland – obwohl zahlreiche Konventionen und Resolutionen der Vereinten Nationen und der Europäischen Union die weibliche Genitalverstümmelung als schwere Menschenrechtsverletzung einstufen.

Bei dem oft ohne Betäubung stattfindenden Abschneiden von Teilen oder der Vulva sterben nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation bis zu 25 Prozent der Mädchen. Die meisten sind zwischen 4 und 14 Jahre alt, wenn sie beschnitten werden. Zum Teil wird die Vagina zugenäht, sodass lediglich eine kleine Öffnung bleibt. Für diejenigen, die diese Folter überleben, führt das zu gravierenden, oft lebenslangen psychischen Folgen. Aber auch die Orgasmusfähigkeit und das sexuelle Empfinden sind stark eingeschränkt. Zudem gibt es zahlreiche körperliche Langzeitfolgen wie etwa Schmerzen und eine erhöhte Infektionsgefahr.

Die Gründe für die Verstümmelung der weiblichen Genitalien sind vielfältig und hängen vom jeweiligen Land und von der Ethnie ab. Laut dem Kinderhilfswerk Plan sind sie jedoch immer in »ein kulturell geprägtes Rollenverständnis von Frauen, Sexualität, Familie und Ehe eingebettet«. Der Düsseldorfer Verein stop mutilation schreibt auf seiner Website: »Durch die Beschneidung soll die Sexualität der Frau kontrolliert und eingeschränkt werden.«

In Deutschland könnten einer aktuellen Schätzung zufolge 103 947 Mädchen und Frauen von einer Genitalverstümmelung betroffen sein. Weitere mehr als 17 000 würden als gefährdet gelten, teilte die Menschenrechtsorganisation Terre des Femmes vergangenen Donnerstag in ihrer »Dunkelzifferschätzung« mit. Für diese wertet die Organisation Angaben des Statistischen Bundesamts zu Frauen und Mädchen mit nicht deutscher Staatsbürgerschaft sowie die von Unicef ermittelten Prozentzahlen der Betroffenen in deren Heimatland aus. Und die Zahlen der Betroffenen in Deutschland steigen. Das liegt jedoch nicht daran, dass diese Art der Menschenrechtsverletzung weltweit zunimmt, sondern an veränderten Migrationsbewegungen.

Doch in der Bundesrepublik sind Behörden und Fachleute nach wie vor kaum darauf eingestellt, Betroffenen zu helfen und potenziell Betroffene zu schützen. Es gibt nur wenige Beratungsstellen, und Gynäkologinnen und Gynäkologen kennen sich mit Gefahren durch Genitalverstümmelung häufig nicht aus. Viele Ärztinnen und Ärzte haben »wenig bis gar keine medizinischen Kenntnisse über dieses Thema«, konstatiert das Kinderhilfswerk Plan. Das erschwere eine »abgestimmte Behandlung«. Immerhin können seit 2014 theoretisch die Kosten für eine Behandlung der Verletzungen über die Krankenkasse abgerechnet werden. Frauenrechtlerinnen fordern aber darüber hinaus mehr Geld für Präventionsmaßnahmen und Aufklärung.

Zwar können Eltern, die mit ihren Töchtern ins Ausland fahren, um sie dort »beschneiden« zu lassen, in Deutschland mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft werden. Doch für das Jahr 2019 verzeichnete die polizeiliche Kriminalstatistik gerade einmal ein einziges Ermittlungsverfahren (mit zwei Opfern) wegen des Tatbestandes weibliche Genitalverstümmelung. Sonja Störmer von Terre des Femmes fordert angesichts der hohen Dunkelziffer: »Wir brauchen dringend eine verbesserte Datenlage in Deutschland, um Mädchen durch gezielte Prävention effektiv schützen und bereits Betroffene besser versorgen zu können.«

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