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Einsame Spektakel

Die Berliner Sophiensäle laden zu einer BIPoC-only*-Veranstaltung und geraten damit in Widerspruch zu einem Universalismus, der der Kunst eigen ist

"Yeye" von Lois Alexander
"Yeye" von Lois Alexander

In diesem Monat wird die Tänzerin und Choreografin Lois Alexander ihr Tanzstück »Yeye« in den Berliner Sophiensälen zeigen. Die Arbeit wird als Hommage an Yemayá, eine Göttin der Yoruba, angekündigt und soll sich mit den Folgen der Sklaverei auseinandersetzen. Dafür ließ sich die Künstlerin von dem Roman »Menschenkind« der US-amerikanischen Schriftstellerin und Literatur-Nobelpreisträgerin Toni Morrison inspirieren.

Eine der Vorstellungen wird von den Sophiensälen als BIPoC-only*-Veranstaltung angekündigt. Was heißt das? Sie richte sich »ausschließlich an Menschen, die sich selbst als BIPoC positionieren. BIPoC ist eine Abkürzung für Black, Indigenous and People of Color, also Menschen, die von Rassismus oder Antisemitismus betroffen sind. Dazu gehören Schwarze, Indigene, (post-)migrantische Menschen sowie Sinti*zze, Rom*nja, Jüdinnen und Juden, Latino/a/x, Ost-/Südasiat*innen, Hawaiianer*innen und Pazifikinsulaner*innen usw.« Es handelt sich nicht um die erste Veranstaltung dieser Art, und niemand muss um eine Karte bangen: Drei weitere Vorstellungen ohne Beschränkung des Publikumskreises finden ebenfalls statt.

Jenseits der unklaren Gemengelage, die einen neuen Essenzialismus zur Bedingung eines Theaterbesuchs macht und die gleichzeitig diesen Essenzialismus durch »Selbstpositionierung« dekonstruieren möchte, wirft diese Praxis an Theatern, die derzeit im Übrigen unter einem beträchtlichen Zuschauerrückgang zu leiden haben, einige Fragen auf. Das Theater wird nicht an schlechter Kunst zugrunde gehen. Nicht die Gas-Engpässe werden ihm den Garaus machen und auch nicht die Sparwut der Politik. Theater, das zeigt die Erfahrung, wird immer gemacht, ob mit oder ohne Geld, ob laienhaft oder auf höchstem Niveau, ob auf der ganz großen Bühne vor ausverkauften Rängen oder auf der Straße.

Aber – das Theater verspielt seine eigenen Grundlagen, wenn es seinen universalistischen Anspruch aufgibt, und sei es nur für einen Abend. Es lebt davon, dass man sich, allein unter Fremden, einer Erfahrung aussetzt. Sind die darstellenden Künste denn nicht schon exklusiv genug, sprechen sie doch vor allem ein bildungsbürgerliches Publikum an? Auf der Bühne wird Gesellschaft simuliert, die Zuschauer werden Teil davon. Dass gerade hier die Erprobung eines Nebeneinanders der Menschen mit ihren unterschiedlichen Erfahrungen sein muss und sein kann, sollte sich eigentlich von selbst verstehen. Und Theater sollen uns auch künftig mit Rassismus konfrontieren, mit seiner Geschichte, die dieses Land geprägt hat, und mit seinen Kontinuitäten in jedem Einzelnen von uns. Aber sie müssen dabei weiter die Menschen zusammenbringen und dürfen den universalistischen Anspruch der Kunst nicht verraten. Sonst wird es bald einsam in den Bühnenhäusern.

Vorstellungen: 22., 23. und 25.10.
BIPoC-only*: 24.10.

www.sophiensaele.com

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