Marsch gegen Preisexplosion

Französisches Linksbündnis fordert eine soziale Politik und prangert auch umweltpolitische Untätigkeit an

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Wie hier in Toulouse Ende September mobilisiert Nupes am Sonntag in Paris zum Protest.
Wie hier in Toulouse Ende September mobilisiert Nupes am Sonntag in Paris zum Protest.

Mit einem Marsch am kommenden Sonntag in Paris, zu dem die Neue ökologische und soziale Volksfront Nupes aufgerufen hat, soll gegen das immer teurer werdende Leben, gegen die Untätigkeit angesichts der drohenden Klimakatastrophe und gegen die Angriffe auf das Rentensystem protestiert werden. Das Bündnis, zu dem sich vor der Parlamentswahl im vergangenen Juni die Bewegung La France insoumise, die Sozialisten, die Kommunisten sowie die Partei der Grünen zusammengeschlossen haben, hat dafür im ganzen Land mobilisiert, sodass mit vielen Tausend Teilnehmern an dem Marsch gerechnet wird.

In einem Appell, den neben Nupes mehr als ein Dutzend weitere linke Organisationen sowie mehrere Hundert namhafte Persönlichkeiten – darunter die Literatur-Nobelpreisträgerin 2022 Annie Ernaux – unterzeichnet haben, heißt es: »Die Preise explodieren und es wird immer schwieriger, mit dem Haushaltsgeld bis zum Monatsende zu kommen.« Dennoch würden sich Präsident Emmanuel Macron und seine Regierung sträuben, die Löhne zu erhöhen, die Mieten einzufrieren oder die Preise zu blockieren: »Schlimmer noch, sie planen neue Angriffe auf das Rentensystem und die Arbeitslosenversicherung und organisieren den Abbau der öffentlichen Dienste, insbesondere im Bildungs- und Gesundheitswesen.«

Die Regierenden stünden den Herausforderungen des Klimawandels nahezu untätig gegenüber, obwohl Frankreich bereits mehrfach vom Europäischen Gerichtshof wegen seiner völlig unzureichenden Umweltpolitik verurteilt wurde. »Dabei besteht dringender Handlungsbedarf, um den angesichts der Klimanotlage unerlässlichen Energiewechsel einzuleiten und so die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und den Preisschwankungen bei Gas und Öl zu beenden«, heißt es dazu im Appell. Die gegenwärtige Politik diene vor allem einer kleinen Schicht wohlhabender Franzosen. »Die Dividendenzahlungen an die Aktionäre erreichten in diesem Jahr einen historischen Höchststand«, wird weiter festgestellt, »und eine Steuer auf Superprofite, wie sie schon in zahlreichen europäischen Ländern eingeführt wurde, steht bei uns immer noch nicht auf der Tagesordnung!«

Gefordert werden in diesem Zusammenhang massive Investitionen in ökologische Maßnahmen – wie die Umstellung auf erneuerbare Energien und in die Isolierung von Wohnbauten – sowie in den Ausbau des öffentlichen Verkehrswesens und den ökologischen Wandel in der Landwirtschaft.

Die Organisatoren des Marsches, der von Jean-Luc Mélenchon und seiner Bewegung La France insoumise (LFI) initiiert wurde, zeigen sich überzeugt, dass »die Regierung zum Einlenken und zu einem Kurswechsel gezwungen werden kann, wenn die Bevölkerung in Massen auf die Straße geht«. Sie hoffen auf einen Schulterschluss mit den gegenwärtig für höhere Löhne streikenden Arbeitern der Ölraffinerien des Konzerns Total. Die besonders virulente Grünen-Politikerin Sandrine Rousseau hofft sogar, dass »dieser Streik zum Funken wird, der einen Generalstreik im ganzen Land auslöst«.

Doch das bleibt Wunschdenken. So wird sich die Gewerkschaft CGT, die den Streik bei Total anführt, nicht an dem Marsch beteiligen. »Wir würden uns klarere Losungen und Ziele wünschen«, erklärte ihr Vorsitzender Philippe Martinez in einem Interview. »Unser Kampf konzentriert sich gegenwärtig auf die Durchsetzung höherer Löhne.«

Der Total-Streik und die Blockaden der Raffinerien und Depots, die zu ernsten Engpässen bei der Versorgung von Treibstoff führen, drohen die öffentliche Aufmerksamkeit und den Rückhalt für den Marsch gegen die Teuerung zu schmälern. In der Bevölkerung haben die Folgen des Streiks zu großer Unzufriedenheit geführt. Die Regierung geht gegen ihn mit der juristisch fragwürdigen Zwangsverpflichtung von Beschäftigten an Schlüsselpositionen vor.

Alexis Corbière, Parlamentsabgeordneter der Bewegung La France insoumise, rechnet damit, dass die Rekordzahl von 100 000 Teilnehmern, wie sie beim Präsidentschaftswahlkampfmeeting seiner Bewegung am 20. März auf dem Pariser Platz der Republik verzeichnet wurde, unter diesen Umständen nicht erreicht wird.

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