Bündnis 90, die Tiefschwarzen

Die geplante Abbaggerung von Lützerath ist ein weiterer Tiefpunkt in der Grünen-Geschichte

  • Lakshmi Thevasagayam
  • Lesedauer: 3 Min.

Niemand hatte es anders erwartet – die Grünen, personifiziert durch die selbsterklärte »Aufbruch«-Mona-Neubaur (Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsministerin, d.Red.) mit dem parteieigenen Linder-Remake Robert Habeck, verkünden gemeinsam mit dem Chef eines der dreckigsten Energiekonzerne der Welt, dass es ein »richtig guter Tag für den Klimaschutz« sei. Die tolle Nachricht: Sie lassen das Dorf Lützerath am Braunkohletagebau Garzweiler II in NRW abbaggern.

Ein weiterer absoluter Tiefpunkt in der Geschichte dieser Partei ist erreicht. Nicht nur, dass sie sich seit Monaten nicht mehr traut, das »1,5-Grad-Ziel« in den Mund zu nehmen, in der Hoffnung, die Wähler*innenschaft vergesse die Klimakatastrophe und die Studienlage, dass die Pariser Klimaziele geopfert werden, wenn Lützerath abgebaggert wird. Jetzt wird auch noch so getan, als hätte man was gerettet: Kohleausstieg 2030 und drei Höfe, die RWE schon lange nicht mehr abbaggern wollte. Alte Meiler werden im Namen der Energiesicherheit hochgefahren, und statt kontinuierlich weniger zu fördern, wird ein Großteil der Kohle, die sonst bis 2038 verstromt würde, bis 2030 auf Pump abgebaggert. Ein fetter Erfolg der grandiosen Verhandlungskunst von »Optimistin«-Mona (Zitat von ihrer Website). Wieso nicht gleich noch dazu sagen, dass man Köln vorm Abriss gerettet hat?

Lakshmi Thevasagayam
Lakshmi Thevasagayam
Lakshmi Thevasagayam ist Ärztin, Klima- und Gesundheitsaktivistin und engagiert sich in der Antikohlebewegung im Rheinland.

Nehmen wir unseren traurig guckenden Robert dazu, der wieder mal schlechte Nachrichten überbringen muss. Mitleidig erklärt er, dass es anders einfach nicht geht und er im wahrscheinlich wichtigsten Ministerium in einem der mächtigsten Länder der Welt leider nichts machen kann. Und bitte nicht vergessen, sich nur mit Schwamm auf dem kalten Badewannenboden zu waschen und danach einfach ein paar Pullis drüberziehen.

Aber brauchen wir tatsächlich die Kohle unter Lützerath, damit Menschen im Winter nicht frieren müssen? Nein. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung mit der TU Berlin hat ergeben, dass es selbst bei einem wegen der Gaskrise erhöhten Bedarf an Kohlestrom genug Kohle in dem schon jetzt riesigen Tagebau gibt. Fakt ist: Das meiste Kohlevorkommen in der Region liegt unter Lützerath, ca. 280 Millionen Tonnen. Bisher förderte RWE ca. 20 Millionen Tonnen Kohle im Jahr.

Es sind also enorme Mengen, die bei einer Verbrennung direkte globale Auswirkungen haben, die wir jeden Tag beobachten. Und wir dürfen nicht zulassen, dadurch abzustumpfen: die Fluten in Pakistan, Nigeria, Nicaragua, Puerto Rico; die Dürre- und Hungerkrisen in Somalia, Madagaskar, im Jemen. Es ist ein Hohn für alle Menschen, die auf dieses imperialistische Land schauen, welches auf Platz 7 der größten CO2-Emittenten steht und weiter fröhlich behauptet, das Klima schützen zu wollen. Es ist ein Hohn, dass eine Partei, die sich mit Klimaschutz brüstet und gerade deshalb in die Regierung gewählt wird, jetzt gegen wissenschaftliche Erkenntnisse und Hand in Hand mit RWE ein Dorf abbaggern lässt. Ein Dorf, das international zum Symbol des Widerstands im globalen Norden gegen fossile Konzerne geworden ist. Ein Ort, wo die junge migrantische Klimaaktivistin aus der Stadt auf den weißen alten Bauern aus dem Land trifft und der Menschenrechtsaktivist aus Belutschistan auf den Anti-Gas-Aktivisten aus Mexiko.

Aber Lützerath ist eben nicht nur Symbol, sondern steht auch Konzerninteressen im Weg. Für RWE lohnt es sich betriebswirtschaftlich nicht, um das Dorf herumzubaggern und 280 Millionen Tonnen Kohle dort zu lassen, wo sie sind. Die Grünen werden der Transformation, die es jetzt braucht, mit ihrem grünen Kapitalismus im Weg stehen und unterscheiden sich damit nicht von ihren schwarzen Bündnispartnern in NRW. Wir werden selbst für die richtigen Lösungen kämpfen und uns dafür organisieren müssen. Egal ob für eine Übergewinnsteuer, um unsere Rechnungen zu zahlen, für die Vergesellschaftung von Immobilienkonzernen, um unsere Mieten zu zahlen und Wohnungen zu sanieren, für Inflationsausgleich und Klimareparationen oder dafür, dass Lützerath bleibt.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -