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Neuer Protest gegen Senegals Präsident
Bürgerbewegung will mit Kampagne dritte Amtszeit von Macky Sall verhindern
Das politische Klima wird weiter rauer für Senegals Staatspräsident Macky Sall. Die 2011 von Rappern um die nationale Ikone Youssou N’Dour und Journalisten ins Leben gerufene Bewegung »Y’en a marre« (»Wir haben es satt«) warnt Präsident Sall durch eine neue, vorwiegend virtuelle, Kampagne vor einer dritten Amtszeit als Präsident des westafrikanischen Landes. Mit einer breit angelegten Aufklärungs- und Präventionskampagne will die längst zu einer landesweit angewachsenen Bürgerbewegung auf die Folgen für die Demokratie und Verfassung hinweisen, sollte Sall bei den für 2024 avisierten Präsidentschaftswahlen wirklich ein drittes Mal kandidieren. In der aktuellen senegalesischen Verfassung sind nur zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten erlaubt. Gerüchte um eine mögliche Motivation Salls, sich erneut um den Präsidentenposten zu bewerben, halten sich hartnäckig. Der durch die jüngsten Parlamentswahlen deutlich geschwächte Sall schweigt indes zu seinen Ambitionen.
Bereits vor zehn Jahren hatte »Y’en a marre« vorwiegend junge Menschen mobilisiert, um gegen den damaligen Präsidenten Adboulaye Wade, der heute wieder als Abgeordneter im Parlament sitzt, zu protestieren. Dieser wollte 2012 ebenfalls für eine dritte Amtszeit kandidieren. Mit dem Slogan »Faut pas forcer« (»Man darf nichts erzwingen«) setzten sie sich gegen die dritte Kandidatur des heute 96 Jahre alten Wade ein. Die Bewegung unterstützte damals den liberal-demokratischen Macky Sall. Das hat sich spätestens nach seiner ersten Wahl schlagartig geändert, denn seither übt die Bewegung offen Kritik am Staatsoberhaupt und an der (inneren) Politik. Zugleich fordert sie die Regierung auf, versprochene Reformen zu verwirklichen.
»Diese neu aufgelegte digitale Kampagne ist die Präambel einer umfassenden Kampagne«, sagte Khafor Kandj, Mitglied der Koordination der Bewegung, vergangene Woche auf der Internetplattform »seneweb«.
Der neue Slogan kommt dieses Mal nicht auf Französisch daher, sondern auf der im Senegal weitverbreiteten Sprache Wolof, der zweiten offiziellen Sprache im Land. Er heißt »Bu ko sax jeem« und bedeutet auf Deutsch so viel wie »Versuche es nicht einmal«. Ein eindeutiger Appell an Sall, nicht erneut zu kandidieren.
Auf Profilbildern in sozialen Netzwerken sieht man den neuen Slogan auf einem roten Verbotsschild, das man sonst aus dem Straßenverkehr kennt, immer häufiger. Der Widerstand gegen eine dritte Amtszeit des 61 Jahre alten Sall wächst aber nicht nur virtuell. Bereits im Vorfeld der senegalesischen Parlamentswahlen von Ende Juli gab es heftige Proteste gegen Sall und sein mögliches Vorhaben, sich ein drittes Mal zu bewerben. Da es im armen Senegal keine seriösen Meinungsumfragen gibt, kann demoskopisch nicht verlässlich gesagt werden, ob tatsächlich ein Großteil der senegalesischen Bevölkerung gegen eine dritte Kandidatur des Staatsoberhauptes, das derzeit auch den Vorsitz der Afrikanischen Union innehat, ist. Spricht man mit Senegalesen im Land und im Ausland, so ist die Stimmung diesbezüglich eher negativ.
Auch das Votum der Wähler bei der vergangenen Parlamentswahl spricht eine deutliche Sprache. Die relativ schwachen Zustimmungswerte für Salls Regierungskoalition sind auch ein Zeichen gegen eine dritte Amtszeit, sind sich Experten sicher. Sie sehen in der stark geschwächten Regierungskoalition von Salls Wahlbündnis »Benno Yakk Yaakar«, das in der Nationalversammlung in der Hauptstadt Dakar nur noch knapp eine absolute Mehrheit hat, keine Grundlage, eine derartige Verfassungsänderung zu erwirken. Ein Aufschrei der Opposition und in der Bevölkerung – und nicht zuletzt bei »Y’en a marre« – sei programmiert, sollte Sall tatsächlich die Verfassung ändern wollen.
Ursprünglich entstand »Y’en a marre« 2011 als Reaktion auf die häufigen Stromausfälle in Dakar. Die Kritik der Bewegung richtete sich jedoch schnell auch gegen weitere Probleme innerhalb der senegalesischen Politik und Gesellschaft. Mit Veröffentlichungen, Konzerten und Kundgebungen sowie einem wachsenden Netzwerk regionaler Mitglieder setzt sich die Bewegung für neue Formen des Denkens und Lebens ein. Der Einsatz von choreografischen und musikalischen Elementen auf öffentlichen Plätzen in Dakar, in Bussen und auf Märkten verschaffte der Bewegung große Popularität.
Auch setzte sich »Y’en a marre« aktiv dafür ein, Erstwählerinnen und -wähler in die Wahlregister eintragen zu lassen. Im Senegal müssen sich die Einwohner aktiv in Wahlregister eintragen lassen. Voraussetzung dafür ist, dass man einen Personalausweis besitzt, was auch nicht immer gegeben ist in dem knapp 19 Millionen-Einwohner-Land. Fast die Hälfte der Einwohner ist minderjährig und nicht wahlberechtigt. Bei der vergangenen Parlamentswahl haben nur gut 47 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben – ein Rückgang von sieben Prozentpunkten im Vergleich zu den Parlamentswahlen von 2017.
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