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Der Weltmarkt als Ausweg
Agrarmulti China: Die Volksrepublik sorgt sich um ihre zukünftige Ernährungssicherheit
So weit, so bekannt: China ist die »Werkstatt der Welt«. China gilt zugleich als ein wichtiger Absatzmarkt westlicher Autoproduzenten, Maschinenbauer und der Chemieindustrie. Weniger bekannt ist, dass die Volksrepublik zugleich ein wichtiger Spieler auf den globalen Agrarmärkten ist. Mancher Experte meint sogar, der wichtigste.
China ist mit seinen mehr als 1,4 Milliarden Menschen der weltgrößte Konsument von Nahrungsmitteln. Zugleich ist das Land der weltweit größte Importeur dieser Güter. Damit besetzt die chinesische Wirtschaft eine zentrale Position im globalen Handelsgeschehen. 2021 überstiegen Chinas Einfuhren landwirtschaftlicher Erzeugnisse seine Ausfuhren um das 2,6-fache und erreichten einen Wert von 219,8 Milliarden Dollar (rund 225 Milliarden Euro).
In gewisser Weise ist dies der hohe Preis für wachsenden Wohlstand. Viele Chinesen konsumieren längst nach westlichen Maßstäben. »Mit einer wachsenden Mittelschicht steigt auch die Binnennachfrage nach hochwertigeren Lebensmitteln, insbesondere Fleisch- und Milchprodukten«, erklärt Lena Kuhn, Wissenschaftlerin am Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) in Halle. Beide Güter benötigen jedoch mehr Land- und Wasserressourcen als etwa Getreide und Gemüse, welche lange die Speisepläne beherrschten.
Diese Entwicklung setzt die Regierung in Peking unter Druck. Denn gleichzeitig werden die Produktionsressourcen immer knapper. So groß wie die USA, müssen in China weniger als sieben Prozent des weltweiten Süßwassers für über 20 Prozent der Weltbevölkerung ausreichen. Gemessen an der Bevölkerungszahl ist das Land wasserarm.
Über vier Jahrzehnte zielt die chinesische Agrarpolitik daher auf die Steigerung der Produktivität. Dies führte zu verstärktem Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln und zur industriellen Bewässerung. Dies belastet aber die ohnehin knappen Boden- und Wasserressourcen zusätzlich.
Schätzungen von Experten zufolge würden für den gegenwärtigen Ernährungswandel bis 2050 bis zu zwölf Millionen Hektar zusätzlich an landwirtschaftlicher Fläche benötigt. Ein Bedarf, der innerhalb Chinas kaum zu decken ist. Von der Gesamtfläche von 960 Millionen Hektar können laut Bundeslandwirtschaftsministerium lediglich noch 134 Millionen Hektar als Ackerland genutzt werden. Und dieses Areal schrumpft durch Baumaßnahmen weiter.
Das chinesische Ministerium für Landwirtschaft MARA legte daher im Juni ein Investitionsprogramm auf. Zu den konkreten Maßnahmen gehört eine »intelligente« Getreidelagerung. Aktuell verfügt das Land als Reserve über etwa 50 Prozent der gesamten Weizenvorräte der Welt. Ähnlich verhält es sich mit Mais. »Die gegenwärtig hohe Nachfrage Chinas nach strategischen Agrarprodukten wird in der Öffentlichkeit oft als Reaktion auf kurzfristige Schocks wie die Pandemie und zuletzt den Krieg in der Ukraine reduziert«, kritisiert Thomas Glauben, Professor an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Maßgeblich für die Regierung von KP-Chef Xi Jinping seien jedoch langfristige Trends: Klimawandel, Bevölkerungswachstum sowie der steigende Verbrauch von tierischen Proteinen.
Dabei erwarten die Experten nicht, dass die Produktivitätssteigerungen – angesichts des Klimawandels und der knappen Wasserressourcen – mit der wachsenden Nachfrage Schritt halten können. Durch den wachsenden Wohlstand dürfte Chinas Nachfrage nach Lebensmitteln auf den Weltmärkten also weiterhin stetig steigen.
Eine Antwort auf die absehbare Mangellage ist die »Neue Seidenstraße«, die Präsident Xi 2013 auf den Weg brachte. Sie zielt auch auf den Zugang zu neuen Agrarlieferungen und soll die Logistik verbessern. 30 bis 40 Prozent aller produzierten Nahrungsmittel gehen zwischen Acker und Teller verloren, beklagt das UN-Umweltprogramm.
Darüber hinaus sind chinesische Unternehmen direkt in die Produktion von Nahrungsmitteln auf gekauften oder gepachteten Flächen im Ausland eingestiegen, vornehmlich in Afrika und Asien. »Eine Praxis, die wegen der problematischen Auswirkungen auf die Gastländer oft als ›Land Grabbing‹, Landraub, bezeichnet wird«, kritisiert die Welthungerhilfe. Der genaue Umfang ist allerdings unbekannt.
Bei Milch, Zucker oder Fleisch greift China ohnehin lieber auf den Weltmarkt zurück. Es importiert genau das, was andernorts günstiger hergestellt werden kann. Die Schweinepreis-Krise auf dem deutschen Markt hängt auch mit dem Importstopp Chinas im Zuge der Corona-Pandemie zusammen. Um seinen Bedarf zu decken, wird die Volksrepublik auch zukünftig auf die internationalen Agrarmärkte zugreifen wollen, ist China-Experte Glauben überzeugt. Insofern sei die Einbindung in das internationale Agrarhandelssystem – wie auch für Deutschland – wesentlich, um Versorgungsrisiken einigermaßen zu begegnen.
Und die sind aktuell besonders heftig. Die Weltmarktpreise für Agrarrohstoffe wie Getreide und Pflanzenöle übersteigen schon seit Herbst 2021 die Hochpreisniveaus der Nahrungskrisen vor gut einem Jahrzehnt. Der Ukraine-Krieg hat die seit der Coronakrise bestehende angespannte Versorgungslage auf globalen Nahrungsmittelmärkten nochmals verstärkt. Dies alles bleibt nicht ohne zusätzliche Risiken für die Ernährungssicherheit importbedürftiger Länder wie der »Werkstatt der Welt«.
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