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Wohnungsgesellschaft Pro Potsdam friert Mieten ein
Bis Oktober 2023 keine Erhöhung, danach maximal zehn Prozent Aufschlag in drei Jahren
Die Haushalte sind mit den gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreisen schon über Gebühr belastet. Da sollen sie nicht mit einer Erhöhung der Kaltmieten bedrängt werden. Darum will sich die kommunale Wohnungsgesellschaft Pro Potsdam darauf einlassen, bis Ende Oktober 2023 keinen Cent mehr zu verlangen. Nach Ablauf dieser Frist sollen die Mieten innerhalb von drei Jahren maximal zehn Prozent steigen. Bei Mieten von mehr als acht Euro pro Quadratmeter dürfen es maximal acht Prozent sein. Wer wegen der Heizkosten in Zahlungsrückstand gerät, soll bis Ende Juni 2024 unter keinen Umständen seine Wohnung räumen müssen.
Im Gegenzug verzichtet die Stadt Potsdam auf einen Gewinn der ihr gehörenden Pro Potsdam GmbH – und sie überlässt der GmbH Grundstücke für den Wohnungsbau. Denn bis zum Jahr 2027 soll die Pro Potsdam trotz gestiegener Kosten und höherer Zinsen für Kredite 2500 Wohnungen bauen und Quartiere für Beschäftigte kommunaler Unternehmen wie beispielsweise Krankenschwestern und Feuerwehrleute zur Verfügung stellen. Das alles sieht eine Vereinbarung der Stadtverwaltung mit der Wohnungsgesellschaft vor. Am 9. November soll das Stadtparlament diese Vereinbarung absegnen.
»Gerade in Zeiten, die uns alle täglich vor neue Herausforderungen stellen, stehen wir als Pro Potsdam eng an der Seite unserer Mieterinnen und Mieter und lassen niemanden allein«, versicherte Geschäftsführer Jörn-Michael Westphal am Montag, als die Vereinbarung vorgestellt wurde. Erhöhungen der Nettokaltmiete sind bei der kommunalen Wohnungsgesellschaft bereits seit November 2020 ausgesetzt. Erster Anlass war die Coronakrise. Nun geschieht es wegen der Teuerung und der hohen Inflation.
»Wichtig ist, dass die Pro Potsdam im Gegensatz zu anderen, privaten Wohnungsunternehmen an ihren Bauvorhaben festhält und weiterhin neue, zusätzliche Wohnungen mit günstigen Mieten schafft«, betonte die Sozialbeigeordnete Brigitte Meier (SPD). Die Garantie, die Miete nicht erhöht zu bekommen und wegen Rückständen bei den Heizkosten nicht gekündigt zu werden, »schafft soziale Sicherheit für viele, die sich derzeit schon große Sorgen gemacht haben, wie sie über den Winter kommen sollen«, so Meier.
Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) erklärte: »Diese Vereinbarung ist ein Zeichen und ein Appell an andere Vermieterinnen und Vermieter in der Stadt, in ähnlicher Weise auf die angespannte Lage der Bürgerinnen und Bürger zu reagieren.«
Da geht die Stadtverordnete Isabelle Vandré (Linke) gleich noch einen Schritt weiter. Sie ist zugleich Landtagsabgeordnete und findet, an der Pro Potsdam könnten sich in dieser Frage Wohnungsunternehmen in ganz Brandenburg ein Beispiel nehmen. »Das geht in die richtige Richtung«, begrüßt Vandré die Vereinbarung. Sie sagt aber auch: »Das Bürgerbegehren hat sich damit nicht erledigt.«
Ende Mai hatte eine Bürgerinitiative 17 322 Unterschriften für einen Potsdamer Mietendeckel an den Kreiswahlleiter übergeben. Demzufolge sollten Mieterhöhungen bei der Pro Potsdam auf ein Prozent innerhalb von fünf Jahren begrenzt werden, also sehr viel stärker als jetzt vorgesehen. Dabei war der Initiative bewusst, dass die Pro Potsdam nicht für gnadenloses Abkassieren steht und eher andere Vermieter in den Blick zu nehmen wären. Aber ein Mietendeckel für alle liegt außerhalb der Befugnisse der Stadt Potsdam. Mit einem allgemeinen Mietendeckel scheiterte das Land Berlin sogar vor Gericht. Die Begrenzung der Mieten bei der kommunalen Wohnungsgesellschaft sollte sich aber dämpfend auf den Mietspiegel und damit segensreich für alle Mieter in Potsdam auswirken, so die Idee.
Im September irritierte Oberbürgermeister Schubert mit seiner Darstellung, die Kommunalaufsicht des Innenministeriums lehne das Bürgerbegehren ab. Dabei hatte die Bürgerinitiative noch Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Prüfung laufe auch jetzt noch, erläutert Politikerin Vandré. Sie ist überzeugt, dass der mit den 17 322 Unterschriften erzeugte Druck immerhin schon einmal sehr zum Zustandekommen der Vereinbarung über den zeitweisen Verzicht auf Mieterhöhungen beigetragen hat. Was darüber hinaus getan werden kann, darüber sei noch zu reden.
In der Potsdamer Linken herrschte keine völlige Einigkeit über die Forderungen des Bürgerbegehrens. Einige wie Isabelle Vandré unterstützten das Anliegen nach Kräften. Andere wie Fraktionschef Stefan Wollenberg gaben zu bedenken, die Pro Potsdam benötige auch Geld, um zu investieren. Eine Erhöhung von nur einem Prozent alle fünf Jahre würde dazu führen, dass das Unternehmen nicht mehr bauen könnte.
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