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Von Helden und Sehnsüchten
Einblicke: Literarische Geschenke an und aus Spanien
500 Millionen Menschen sprechen Spanisch als Muttersprache, und Spanien ist der Ehrengast der Frankfurter Buchmesse. Er präsentiert sich, der Gastgeber stellt den Gast vor – und wie! Die deutschen Verlage haben der spanischsprachigen Literatur Hunderte von Titeln gewidmet. Belletristik, Kinder- und Sachbücher, Graphic Novels, Krimis, Reiseliteratur, Sprachbücher. Diese kaum zu überblickende Fülle von Neuerscheinungen ist eine würdige Hommage an den Ehrengast, zugleich legt sie Zeugnis ab von einer hoch entwickelten Übersetzungskultur.
Hier kann es nur winzige Einblicke in die überwältigende Fülle der spanischen Literatur geben. Von den vielen neu erschienenen Romanen seien einige beispielhaft annotiert. Der im Baskenland geborene Fernando Aramburu schreibt in seinem über 800 Seiten starken Roman »Die Mauersegler« (Rowohlt) über Toni, der in der Mitte seines Lebens beschließt, sich in genau einem Jahr das Leben zu nehmen. Madrid ist der Schauplatz dieses spannenden, nicht ohne tiefsinnigen Humor geschriebenen Buches über die Condition humaine und die Ironie, die sie bereithält.
Antonio Muñoz Molina aus Andalusien lässt seinen traurigen Helden »Tage ohne Cecilia« (Penguin) in Lissabon verbringen und zeigt, wie sehr langes Warten den Menschen zermürbt, fertigmacht, bis er kaum noch wahrnimmt, ob und wie das Warten ein Ende nimmt.
Auch Kubaner schreiben auf Spanisch. Leonardo Padura erzählt in seinem Roman »Wie Staub im Wind« (Unionsverlag) von einem in Havanna zerfallenden Familienclan und wie er sich nach Jahrzehnten wieder zusammenfügt; teilweise in Spanien, weil man dort – anders als auf dem das Sehnsuchtsland bleibenden Kuba – anständig leben kann.
Wer »Eine andere Geschichte der spanischen Literatur« (De Gruyter) lesen will, die gleichsam gegen den gängigen Strich behandelt, was zwischen Cervantes und heute wichtig ist, greift zu dem Buch von Dieter Ingenschay. Eine andere Spezialistin für diese Literatur ist Michi Strausfeld. Sie spricht eine literarische Einladung nach »Barcelona« (Wagenbach) aus, der zu folgen erkenntnisreich und unterhaltsam zugleich ist.
Weit holt die Altphilologin Irene Vallejo in ihrem Sachbuch »Papyrus – Die Geschichte der Welt in Büchern« (Diogenes) aus: Sie beschreibt, wie es dazu kam, dass überhaupt Bücher in die Welt kamen und wie sie über das Banale in dieser siegten. Suhrkamp legt eine »Spanische Bibliothek« mit zehn Neuauflagen wichtiger Titel, unter anderem von Jorge Semprun oder von Federico García Lorca, ins Schaufenster für den Ehrengast.
Die »Spanien-Trilogie« (Kunstmann) von Rafael Chirbes ruft die Zeit vom Faschismus bis zum Tode Francos auf literarisch eindrucksvolle Weise in Erinnerung, die für das Verständnis des heutigen Spanien wertvoll ist. Es wäre ein hoffnungsvolles Signal, wenn sich – gerade auch angesichts des derzeitigen Deutschland-Besuches des spanischen Königspaars – die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolger des Deutschen Reichs bei der demokratischen spanischen Gesellschaft für die Beteiligung an Kriegsverbrechen während des Krieges 1916 bis 1939 (Legion Condor etc.) sowie die Unterstützung des Putschisten und Diktators Franco entschuldigen würde. Eine Forderung, die in jüngster Zeit von spanischen Antifaschisten wiederholt an die Adresse des politischen Berlin ging.
Die Krone der Geschenke an den Ehrengast und an die deutschen Leserinnen und Leser, vor allem an die große Gemeinde der Lyrikliebhaber, serviert C. H. Beck mit seiner zweisprachigen, in vier Epochen gegliederten Publikation »Spanische und hispanoamerikanische Lyrik«. Martin von Koppenfels und sein Team versammeln Gedichte aus acht Jahrhunderten, vom alten Al Andalus über die Renaissance bis in die Gegenwart – kontinentübergreifend, beiderseits des Atlantiks. Man begegnet hier bekannte wie weniger bekannte Namen, darunter Darunter so bekannte Namen wie Miguel de Cervantes und Lope de Vega, Jorge Luis Borges und Federico Garcia Lorca, Rosa Chacel und Octavio Paz. Hervorragende Kenner der spanischen Sprache und Literatur haben an diesem großartigen Gemeinschaftswerk der Literaturwissenschaft und Übersetzungskunst mitgewirkt. Bravo!
Martin von Koppenfels/Susanne Lange/
Johanna Schumm/Petra Strien/Horst Weich (Hg.): Spanische und hispanoamerikanische Lyrik, 4 Bde. C. H. Beck, 2539 S., geb., 148 €.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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