Rettung der »Meinungsfreiheit«

»Ye« wird bei Twitter wegen antisemitischer Äußerungen rausgeworfen - und plant deshalb, die rechte Plattform Parler zu kaufen

  • Julia Trippo
  • Lesedauer: 3 Min.

Was haben Elon Musk, Donald Trump und Kanye West gemeinsam? Sie alle sind stinkreich, ihre politische Einstellung liegt mindestens rechts der Mitte. Und sie alle wollen ihre eigenen Social-Media-Plattformen haben. Alles unter dem Deckmantel der Wahrheit und Meinungsfreiheit.

Insbesondere der US-amerikanische Rapper und Musiker Kanye »Ye« West hat mit seinen Aktionen das Internet in den letzten Wochen mehrmals in Flammen gesetzt. Auf der Pariser Fashion Week sorgte er bei der Show seines Modelabels mit einem »White Lives Matter«-T-Shirts für Unmut. Menschen, die ihn dafür als »rassistisch« kritisierten, feindete er öffentlich im Netz an.

Aus dem Netz gefischt
Weitere Beiträge dieser Rubrik finden Sie unter: dasnd.de/gefischt
Dieser Tweet wurde mittlerweile von Elon Musk gelöscht.
Dieser Tweet wurde mittlerweile von Elon Musk gelöscht.

Außerdem terrorisierte der 45-Jährige seine Familie und machte sicherheitsrelevante Details über die Schule seiner Kinder öffentlich. Und jetzt wird er auch noch von George Floyds Familie verklagt, weil er in einem Podcast behauptete, der Afroamerikaner wäre nicht durch die Gewalt der Polizei, sondern an dem Opioid Fentanyl gestorben. Von Twitter gesperrt wurde der Künstler letzten Endes, nachdem er in einem Post geschrieben hatte, in »death con 3« gegenüber Jüd*innen zu gehen – eine unverhohlene Gewaltandrohung. Für all das erntete Kanye West eine Menge negative Kritik. Auch die Plattform Instagram hatte einige seiner Beiträge gesperrt und den Zugriff auf Wests Account eingeschränkt.

Deshalb will »Ye« nun die Twitter-Alternative Parler kaufen, um ein »nicht zu cancelndes Ökosystem« sicherzustellen, dort sollen alle Stimmen willkommen sein. Das rechte Online-Netzwerk ist bislang vor allem unter Anhänger*innen von Donald Trump beliebt. »In einer Welt, in der konservative Meinungen als kontrovers gelten, müssen wir sicherstellen, dass wir das Recht haben, uns frei zu äußern«, konstatiert der Rapper in einer Pressemitteilung zu seinem kürzlich geplanten Kauf. Die vollständig fehlende Moderation bei Parler führt auf dieser Plattform dazu, dass gewaltverherrlichende Meldungen bis hin zu Morddrohungen erst Tage später entfernt werden.

Mit viel Geld kann man sich also seine eigene Echokammer kaufen, wenn das Interesse an zivilem Umgang und der Respekt für Sagbares und Unsagbares verloren gegangen sind. Berechtigte Kritik an menschenrechtsverletzenden Aussagen als »Cancel Culture« hinzustellen, anstatt sich der Auseinandersetzung zu stellen, ist ebenso charakterlich schwach. Das Holocaust Museum in Los Angeles hatte in seiner Instagram-Story »Ye« sogar zu einem Besuch eingeladen, um ihm verständlich zu machen, wie Worte zu entsetzlicher Gewalt und Völkermord führen können. Doch anstatt die gesellschaftlich weitreichenden Konsequenzen zu tragen, ist es natürlich einfacher, auf freier Meinungsäußerung zu beharren, auch wenn diese gefährliche Auswirkungen auf andere Menschen hat.

Ironischerweise sind Kanye West (plant, Parler zu kaufen), Elon Musk (plant, Twitter zu kaufen) und Donald Trump (gründete Truth Social) alle miteinander verbunden. So findet Multi-Milliardär Musk, es war ein Fehler von Twitter, Trump zu sperren. Und in mittlerweile gelöschten Tweets fand Musk unterstützende Worte für Kanye und den geplanten Parler-Kauf. Außerdem postete Musk ein Meme, auf dem Kanye West, Donald Trump und er als die drei Musketiere zu sehen sind, auf den sich kreuzenden Schwertern die Namen ihrer jeweiligen Plattformen. Musk schrieb dazu: »Im Nachhinein betrachtet war es unvermeidlich«, ganz nach dem Credo, dass es ja so hätte kommen müssen, dass ausgerechnet diese drei Menschen die heiß geliebte Meinungsfreiheit in Amerika retten.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -