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Wettbewerb für freie Gehwege
Die Debatte über Berlins ungeliebte E-Scooter nimmt wieder Fahrt auf
Die neuen Regeln gelten erst seit kurzem, schon kündigt die Senatsverwaltung selbst weitere mögliche Schritte gegen im Weg stehende E-Scooter an. »Das Set der aktuellen Regeln unterliegt einer dauernden Prüfung im Hinblick darauf, ob die gewünschten verkehrspolitischen Ziele erreicht werden«, heißt es auf Anfrage. Bei Bedarf könne weiter angepasst werden. Im Fokus stehe dabei vor allem die Idee, »in einem transparenten und diskriminierungsfreien Auswahlverfahren« Lizenzen für einzelne Anbieter zu vergeben, sogenannte Konzessionen.
Neben der CDU-Fraktion, die das jüngst in einem Beschlusspapier forderte, plädiert auch der FDP-Abgeordnete Felix Reifschneider für den Schritt. »Man würde damit für einen Wettbewerb um gute Dienstleistungen sorgen«, teilt der verkehrspolitische Sprecher »nd« mit. Das Stadtgebiet müsse unter maximal drei Anbietern aufgeteilt werden, neue Ausschreibungen könnten jährlich stattfinden.
Das Land könne in Verträgen nicht nur die Anzahl und qualitative Standards für die Roller vorschreiben, so Reifschneider: »Diese Scooter selbst sollten keine Ramschware sein, die in ein bis zwei Jahren reif für die Müllhalde ist.«
Dass die Opposition stärkere Regulierungen der Anbieter fordert, amüsiert hingegen den Mobilitätsexperten der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus Kristian Ronneburg. »Wir haben das vor Jahren eingebracht und damals weder von der CDU noch von der FDP etwas gehört«, sagt er »nd«. »Da war dann immer die Rede davon, dass zu viel Regulierung nicht gut sei und wir auf freiwillige Vereinbarungen mit den Anbietern setzen sollen.« Die Einführung der Sondernutzung im September sei von Beginn an lediglich ein Zwischenschritt zu weiteren Maßnahmen wie Ausschreibungsverfahren gewesen.
Der Senat selbst stellt in Aussicht, dass für bestimmte Gebiete Obergrenzen eingeführt und »in einem transparenten und diskriminierungsfreien Auswahlverfahren« Lizenzen an Unternehmen vergeben werden. »Dem Sondernutzungssystem würde so etwas überhaupt nicht entgegenstehen«, sagt Ronneburg. Es würde, im Gegenteil, ergänzend wirken.
Seit September benötigen Anbieter der umstrittenen E-Scooter eine Sondernutzungserlaubnis für die Hauptstadt, um ihre Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen. Dazu gehören etwa anfallende Gebühren in Höhe von drei Euro pro Fahrzeug sowie die Verpflichtung, Roller bei Meldung innerhalb von vier Stunden umzuräumen. Aufgedruckte Telefonnummern sollen Beschwerden erleichtern. Im Laufe des kommenden Jahres will das Land Berlin außerdem die Anzahl sogenannter Jelbi-Stationen von derzeit 65 auf rund 200 erhöhen. In einem Umkreis von 100 Metern ist es Nutzer*innen nicht möglich, ihre E-Scooter zu parken, ohne die dafür vorgesehenen Säulen der Stellplätze zu nutzen.
»Gerade von Menschen mit Sehbeeinträchtigungen bekomme ich häufig die Rückmeldung, dass man sich eine einheitliche Telefonnummer für alle Roller wünscht«, kritisiert jedoch Reifschneider. Auch mit den fünf, sechs Stellplätzen, die pro Jelbi-Station eingeplant würden, komme man nicht weit – angesichts von 45 000 Scootern und Kleinfahrzeugen, die in Berlin verliehen würden.
Ronneburg hingegen erwidert: »Man kann natürlich pauschal sagen, dass es mehr sein müssen, aber am Ende muss es der Straßenraum auch hergeben.« Schon jetzt seien es verkürzte Verfahren, die zum Einsatz kämen. In vielen Punkten liege die Zuständigkeit zudem bei den Bezirken, nicht zuletzt wenn es darum gehe, Autoparkplätze zugunsten der Roller zu reduzieren.
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