- Berlin
- Ehemaliges DDR-Kulturhaus
Alles für den alten Glanz
Die Sanierung des Berliner Praters stellt Pankow vor unerwartet große Herausforderungen
»Als Bauherr ist man über solche Entdeckungen nicht immer nur sofort erfreut«, sagt Pankows Bezirksbürgermeister Sören Benn (Linke) am Donnerstagmorgen, während er vor der Tordurchfahrt zum historischen Prater steht. Ein Gerüst beschränkt die Sicht auf das Gewölbe, das für eine große Überraschung bei der seit 2019 laufenden Restauration sorgte. Bereits zu Beginn der Arbeiten war eine Verzierung aus den 1860er Jahren bekannt gewesen. Dann aber brachte das Abtragen der Farbschichten eine noch ältere, zweite Malerei zum Vorschein, die aus der Zeit der Jahrhundertwende stammen soll.
Neben Materialschwierigkeiten, die mit dem Krieg in der Ukraine zusammenhängen, lässt der Fund die Fertigstellung des Praters laut Benn weiter in die Ferne rücken: »Wir haben eine Verpflichtung, nach Wegen zu suchen, solche Dinge freizulegen und der Öffentlichkeit zu präsentieren.« Die vielen Anforderungen, die das Projekt inzwischen mit sich bringe, erforderten »Nerven aus Stahl«, so der Linke-Politiker.
Bestätigen kann das Andreas Schudrowitz. »Die größte Kraft, die wir hier investieren, fließt in diese Fassung aus der Jahrhunderwende«, teilt der Restaurator mit, dessen Firma mit der Aufgabe betraut wurde, den Prater wieder vorzeigbar zu machen. Ein Teil der hölzernen Gewölbekonstruktion der Tordurchfahrt sei stark mit Hausschwamm befallen. Immer wieder müssten Teile herausgesägt und dann wieder eingesetzt werden – ohne dass die Statik des Bogens in Mitleidenschaft gezogen werde. »Man muss auch ein Stück weit naiv sein, wenn man so etwas anfängt«, sagt Schudrowitz und lacht. »Da dürfen wirklich keine Fehler passieren.«
Die gesamte historische Bemalung im Torbogen werden die Restaurateur*innen nicht wiederherstellen können. Geplant ist, die Fehlstellen stehen zu lassen, um »den Verlust darzustellen«, wie sich Schudrowitz ausdrückt. Auch die aus dem Fokus geratene Bemalung der 1860er Jahre soll hinter Freilegungsfenstern nach wie vor erhalten bleiben.
Schon einmal hat sich der voraussichtliche Eröffnungstermin für den Prater nach hinten verschoben. Die Herausforderungen am Torbogen sorgen nun dafür, dass der Bezirk mittlerweile von einer Fertigstellung bis zum Frühjahr 2023 spricht. Ursprünglich war von 2020 die Rede. Einen konkreten Termin will Pankow nicht bekanntgeben, 75 Prozent der Arbeiten seien mittlerweile durchgeführt.
»Wir haben extreme Materialsorgen und das kostet uns Zeit«, sagt Christina Lindemann, der die Projektsteuerung am Prater anvertraut ist. »Lange kam kein Stahl und Bitumen mehr.« Die Materialpreise hätten sich zum Teil verdoppelt. Lindemann rechnet derzeit mit Gesamtkosten von rund zwölf Millionen Euro. Die aber seien bereits allesamt gedeckt. Finanziert wird der Praterumbau aus dem Förderprogramm »Städtebaulicher Denkmalschutz«, durch Mittel der Senatskulturverwaltung und des Bezirks. Auch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz beteiligt sich mit 75 000 Euro an der Sanierung.
Auch wenn die Tordurchfahrt des Praters zum Vorzeigeobjekt der Restauration avanciert, ist es letztlich das angrenzende Kulturhaus, dessen Wiedereröffnung herbeigesehnt wird. Herzstück des Gebäudes ist ein meterhoher Theatersaal, der ebenso nach historischem Vorbild restauriert wird. Unter seiner goldenen Decke und zwischen orangenen Wänden soll künftig die Volksbühne für Unterhaltung sorgen. Vorgesehen sind laut Lindemann 295 Plätze, die vom Theater bespielt werden können. Darüber, was bei den Aufführungen im ehrwürdigen Saal erlaubt sein soll und was nicht, müsse allerdings noch gesprochen werden.
Beerdigt hat Pankow hingegen seine Pläne, den angrenzenden Prater-Biergarten im Stil der DDR-Moderne neu zu gestalten. Die Pächterin des Biergartens hatte gegen das Vorhaben geklagt und Recht bekommen. Laut Bezirksbürgermeister Benn hat der Bezirk nun seinen Antrag auf Berufung inzwischen zurückgezogen.
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