Einigung zwischen Feinden

Israel und Libanon unterzeichnen historisches Abkommen zu Seegrenze

  • Karin Leukefeld
  • Lesedauer: 4 Min.

Libanon und Israel haben sich nach indirekten Verhandlungen auf die Abgrenzung der jeweiligen exklusiven Wirtschaftszonen im östlichen Mittelmeer geeinigt. Vermittelt wurde die Abmachung von dem Sonderbeauftragten für Energiesicherheit im US-Außenministerium, Amos Hochstein. Delegationen beider Länder unterzeichneten die Dokumente am Donnerstagnachmittag auf dem Stützpunkt der UN-Friedensmission für den Libanon, Unifil in Naqura. Da Israel und Libanon sich im Kriegszustand befinden, fand die Unterzeichnung in getrennten Räumen statt.

Hochstein war mit den Dokumenten am Mittwochabend in Beirut eingetroffen. Am Donnerstagmorgen unterzeichnete Präsident Michel Aoun, der seine Zustimmung zu der Vereinbarung bereits vor einer Woche erklärt hatte. Bei einer anschließenden Pressekonferenz im Präsidentenpalast Baabda stellte Hochstein sich den Fragen von Journalisten. Eine Frage des Fernsehsenders Al-Manar überging Hochstein allerdings. Der Sender steht der Hisbollah nahe und hatte für den Nachmittag eine Rede von Hassan Nasrallah angekündigt, dem Generalsekretär der Hisbollah.

Nasrallah hatte im Sommer Israel davor gewarnt, Gas aus dem Gasfeld Karish zu pumpen, solange nicht auch Libanon das Recht erhalte, seinerseits Gas aus dem Gasfeld Qana zu fördern. Sollte Israel dennoch mit der Förderung in Karish beginnen, würden Karish und weitere Gasförderanlagen entlang der Küste in Flammen aufgehen. Die Drohung hatte sowohl in Israel als auch in Washington und Brüssel dazu beigetragen, die indirekten Verhandlungen zu beschleunigen.

Auch die Not Europas und Deutschlands, neue Gas- und Öllieferanten zu finden, um die ausbleibenden Gas- und Öl-Lieferungen aus Russland zu ersetzen, trugen zu einer zügigen Vereinbarung bei. Das französische Außenministerium schaltete sich ein und sagte dem Libanon zu, dass das französische Ölunternehmen Total unmittelbar nach der Unterzeichnung eines Abkommens die Arbeit auf den libanesischen Gasfeldern beginnen solle. Israel hat bereits mit Deutschland, Österreich und der EU Liefervereinbarungen getroffen.

In Israel war das Abkommen in die Mühlen des israelischen Wahlkampfes geraten. Während in den Medien zahlreiche Analysten, Politiker und Militärs den Vorteil des Abkommens hervorgehoben hatten, nämlich Gas zu fördern, das in Europa dringend gebraucht werde und Israel Geld bringen würde, hatte der ehemalige Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der im Wahlkampf erneut für das Amt antritt, von »Unterwerfung« gesprochen. Lapid habe sich den Drohungen der Hisbollah gebeugt, so Netanjahu, er sei vor Nasrallah in die Knie gegangen. Sollte er, Netanjahu, erneut Ministerpräsident werden, werde er das Abkommen nicht umsetzen.

Interims-Ministerpräsident Jair Lapid, der seinen Posten bei den Parlamentswahlen am 1. November verteidigen will und auch als Wunschkandidat von USA und EU gilt, sprach von einer historischen Chance. Ein Abkommen mit Libanon werde wirtschaftliche Vorteile bringen und die Nordgrenze Israels sicherer machen, sagte er.

Am Donnerstagmorgen stimmte die Regierung in Tel Aviv dem Abkommen zu, Lapid setzte unmittelbar darauf seine Unterschrift drunter. In einer kurzen Erklärung sagte er, die Unterzeichnung des Abkommens durch Libanon sei de facto eine Anerkennung des jüdischen Staates Israel. »Es geschieht nicht jeden Tag, dass ein verfeindeter Staat den Staat Israel anerkennt, mit einer schriftlichen Vereinbarung und vor den Augen der ganzen internationalen Gemeinschaft«, versuchte Lapid seine innenpolitischen Gegner im Wahlkampf von der Entscheidung zu überzeugen.

Libanon hat allerdings wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass es sich bei der Vereinbarung um die Markierung der exklusiven maritimen Wirtschaftszonen handelt und nicht um eine Vereinbarung der internationalen Grenze. Tatsächlich war die Entscheidung für die Vereinbarung über die Abgrenzung der maritimen Wirtschaftszonen schon zuvor von den USA getroffen worden. In persönlichen Telefonaten mit Jair Lapid als auch mit dem libanesischen Präsidenten Michel Aoun hatte US-Präsident Joe Biden bereits Mitte Oktober persönlich das US-Interesse an der Vereinbarung unterstrichen und beiden Seiten zu dem Abkommen gratuliert.

Israel hatte bereits am Mittwoch begonnen, Gas aus dem Karish-Feld zu fördern – noch einen Tag vor der Unterzeichnung der Vereinbarung. »Gas wird aus Karish 02 gefördert«, teilte die von Israel mit der Förderung beauftragte Firma Energean am Mittwoch mit.

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