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NRW-Linke: Überall Spalter
Landesparteitag debattiert leidenschaftlich über den Flügelstreit und wählt neuen Vorstand
Der Rechenschaftsbericht des Landesvorstands gehört bei Parteitagen eigentlich nicht zu den Tagesordnungspunkten, die für leidenschaftliche Debatten sorgen. Das war beim Landesparteitag der nordrhein-westfälischen Linken am Samstag in Kamen anders. Landesgeschäftsführer Lukas Schön beschränkte sich auf wenige Sätze zur Arbeit des Landesvorstands und sprach länger darüber, warum er nicht wieder für das Amt kandidiert. Schuld daran ist für Schön vor allem der Bundesvorstand der Partei. Der kümmere sich um »identitätspolitische Orchideenthemen«. Auch sprach sich Schön gegen einen Antrag von Frauen aus, die forderten, dass Funktionsträger sich künftig verpflichtend an Antisexismus-Seminaren beteiligen müssen. Das wolle er nicht mittragen, genauso wenig den »identitätspolitischen Kurs« der Bundesspitze. Schöns Redebeitrag erntete viel Applaus, aber auch wütende Zwischenrufe, die darauf hinwiesen, dass die Bundespartei gerade eine Kampagne zu Sozialprotesten im »heißen Herbst« gestartet hat.
Nach Schöns Beitrag wurde eine Stunde lang leidenschaftlich debattiert. Es ging dabei, kaum verwunderlich, um die großen Streitpunkte der Linken. Wer spaltet gerade die Partei? Das Lager um Sahra Wagenknecht oder ihre Gegner, die weniger Wagenknecht wollen? Ein Streit, bei dem wohl niemand mit neuen Argumenten überzeugt wurde, aber viele Delegierte ihre bekannten Positionen ausbreiten konnten. Inhaltliche Redebeiträge zur Arbeit des Landesvorstands waren die Ausnahme und kamen vor allem von engagierten Kommunalpolitiker*innen, die ein mangelndes bildungspolitisches und landespolitisches Profil der Partei kritisierten. Gestritten wurde darüber nicht, stattdessen tummelten sich die Delegierten im Lagerkampf. Der Parteitag dokumentierte die Zerrissenheit des Landesverbands – Applaus und Redeanteile machten nicht deutlich, wer eine Mehrheit beim Parteitag besaß.
Um so gespannter wurde die Neuwahl des Landesvorstands am Samstagabend erwartet. Die beiden Landessprecher*innen Jules El-Khatib und Nina Eumann wollten nicht wieder antreten. 13 weitere Mitglieder des Landesvorstands hatten einer neuen Kandidatur ebenfalls eine Absage erteilt, darunter alle stellvertretenden Sprecher und der Geschäftsführer. Sie hatten eine Erklärung verfasst, in der sie einen mangelnden Pluralismus in der Linken kritisieren.
Dass zahlreiche Vorstandsmitglieder nicht wieder antraten, hatte ein äußerst dünnes Bewerber*innenfeld zur Folge. Nur zwei Parteimitglieder wollten Landessprecher werden. Für das Amt der Landessprecherin gab es bis Samstagnachmittag gar keine Bewerberin. Erst beim Frauenplenum erklärte die Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler, dass sie das Amt übernehmen könne. Vogler erläuterte, dass sie gewartet habe, ob es Kandidatinnen gibt, die ihre ganze Zeit für das Amt zur Verfügung stellen können. Das war aber nicht der Fall.
In ihrer Bewerbungsrede erklärte Vogler, dass es einen »tragfähigen, gemeinsamen Grund« gebe, auf dem sich alle in der Linken engagieren könnten. Ihr Ziel sei es, die Partei wieder zu einen. Sascha H. Wagner, der für das Amt des Landessprechers antrat, verwies auf seine langjährige Erfahrung als Landesgeschäftsführer, durch die er den Landesverband sehr gut kenne. Auch er versprach den Willen zur Einigung, schränkte jedoch ein, man könne »nur zusammenbringen, was auch zusammengehören will«. Beide wurden vom Parteitag gewählt. 68 Prozent der Delegierten votierten für Vogler, nur 54 Prozent für Wagner
Nach den Wahlen herrschte bei zahlreichen Delegierten Erleichterung. Es gab Befürchtungen, dass gerade Wagner, der den bisherigen Landesvorstand offensiv kritisierte und als Wagenknecht-Gegner gilt, nicht die notwendigen Stimmen erhalten könnte. Die NRW-Linke hätte dann führungslos dagestanden und einen neuen Parteitag einberufen müssen.
Am Sonntag steht noch die Wahl des erweiterten Landesvorstands an; zudem wird über zahlreiche inhaltliche Anträge abgestimmt.
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