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Das Grundrecht zu stören
Innensenatorin Iris Spranger (SPD) will schnelle Strafen für die Letzte Generation
Am Montag ist ein Feuerwehrwagen durch eine Straßenblockade der »Letzten Generation« aufgehalten worden. Er war auf dem Weg zur Bundesallee in Wilmersdorf, wo eine Radfahrerin von einem Lkw erfasst worden war. Andere Einsatzkräfte erreichten den Unfallort frühzeitig und versorgten die Schwerverletzte, doch der Rüstwagen mit speziellem Werkzeug kam laut Feuerwehr mit »relevanter« Verspätung an.
Welche Konsequenzen die Verspätung hatte und warum die Autos im Stau auf der A100 keine Rettungsgasse bilden konnten, lässt sich schwer sagen. Klar ist, dass diese Nachricht Bedenken gegen die andauernden Aktionen der Klimaschützer*innen befeuert. Fast täglich blockieren sie Berlins Hauptstraßen oder Autobahnzufahrten und fordern die Rückkehr des 9-Euro-Tickets und ein Tempolimit. Und fast ebenso häufig werden Forderungen nach einem stärkeren Eingreifen laut – am Wochenende erneut von Seiten der Innensenatorin Iris Spranger (SPD).
In einem Interview mit der »Berliner Morgenpost« ärgerte sie sich über die Aktivist*innen: Dass sie mit ihrem Protest die Grundrechte anderer verletzten, sei »ideologisch getrieben, radikal« und »außerhalb des rechtlichen Rahmens«. Sie wünschte sich, »dass die Justiz schneller und konsequenter reagiert« und schlug Handwerker*innen vor, die Blockierer*innen auf Schadensersatz zu verklagen, wenn sie durch die Straßensperrung an ihrer Arbeit gehindert würden.
»Ich rate, dass die Politik bei laufenden Verfahren keine Haltungsnoten verteilt«, sagt Sebastian Schlüsselburg, rechtspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, zu Sprangers Vorschlägen. Er betont, dass es bei den Blockaden um Versammlungen geht, die verfassungsrechtlich besonders geschützt sind. Auch wenn Leute davon genervt seien: »Die Versammlungsfreiheit ist eines unserer höchsten Grundrechte.« Das mache die juristische Bewertung der Blockaden so schwierig. Umfang und Dauer könnten etwa entscheidende Faktoren sein, um zu bestimmen, ob die Einschränkung der Autofahrer*innen »verwerflich« sei. »Wenn die nach 15 Minuten mit Speiseöl entfernt werden, ist das oft eine geringere Einschränkung, als wenn die Polizei nach einem Autounfall die Autobahn sperrt.«
Deshalb sei ein Appell an die Justiz, schneller zu urteilen, fehlgeleitet, so Schlüsselburg zu »nd«. »Die Gerichte müssen ganz in Ruhe ihren Job sorgfältig machen und in jedem Einzelfall die Versammlungsfreiheit abwägen.« Sprangers Vorschlag, sich zivilrechtlich um Schadensersatz zu bemühen, hält er für »gewagt«. Denn auch die Zivilgerichte müssten das Grundrecht der Versammlungsfreiheit miteinbeziehen. Bisher hat es laut Sprecherin der »Letzten Generation« noch keine zivilrechtlichen Klagen in Berlin gegeben.
Auch Vasili Franco, innenpolitischer Sprecher der Grünen, hält nicht viel von Sprangers Vorstößen. »Es ist schon eine interessante Konstellation, wenn eine Innensenatorin meint, zivilrechtliche Tipps zu geben.« Wenn sie die Justiz zu härterem Vorgehen aufrufe, greife das außerdem in das Prinzip der Gewaltenteilung ein.
Mehr noch als Sprangers Aussagen lehnt Franco die Forderungen des Berliner Landesverbandes der Gewerkschaft der Polizei ab. Deren Sprecher Benjamin Jendro weist regelmäßig darauf hin, wie viel Arbeit die Blockaden den Polizeibeamt*innen machen und schlägt als Gegenmittel die präventive Ingewahrsamnahme von Aktivist*innen vor. »Wir reden hier über den Freiheitsentzug, eine der schwersten Maßnahmen, die unser Rechtsstaat zu bieten hat, da ist allerhöchste Vorsicht geboten«, so Franco zu »nd«. Das Berliner Polizeigesetz sieht einen Präventivgewahrsam von maximal 24 Stunden vor – und das nur bei einer Ordnungswidrigkeit mit »erheblicher Bedeutung«.
Nicht nur die Straßenblockaden, auch die medial wirksamen Interventionen in Museen sorgen derweil für Unmut. Nachdem vorvergangenes Wochenende zwei Aktivist*innen Kartoffelbrei auf das Gemälde »Getreideschober« von Claude Monet im Potsdamer Museum Barberini geworfen hatten, klebten sich an diesem Sonntag zwei Frauen für die »Letzte Generation« an die Sicherungsstangen eines Dinosaurierskelettes im Naturkundemuseum. In der Alten Nationalgalerie klebte sich außerdem eine Frau im Ausstellungsraum der Impressionisten fest, diese Aktion stand allerdings laut Polizei nicht im Zusammenhang mit Klimaprotest.
Spranger empfahl den Museen ebenfalls, sich zivilrechtlich zur Wehr zu setzen. Mit ihrer Empörung über die Beeinträchtigung des Kunst- und Kulturbetriebes blieb sie nicht allein. Auch Linke-Kultursenator Klaus Lederer zeigte sich durchaus vergnatzt. Auch wenn die Aktivist*innen hehre Ziele verfolgten, ginge es nicht an, dass ihretwegen »Museen zu Hochsicherheirstrakten« gemacht werden müssten, weil Klebeaktionen zu »einem gewissen Alltagssport« würden, sagte Lederer am Montagnachmittag. »Ich kann nur hoffen, daß an dieser Stelle Reflexion einsetzt, alles andere ist Sache der Strafverfolgungsbehörden.«
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