Juristische Verfolgung von Kurden geht weiter

Wie Justiz und Behörden gegen politisch aktive Kurden vorgehen: die Fälle Ali E. und Kerem G.

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Am 2. November beginnt vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart der Prozess gegen den 71jährigen Ali E. Er besitzt die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft. Seit dem 4. März befindet sich der Angeklagte in Untersuchungshaft, die Fortdauer der Haft wurde gerichtlich angeordnet. Die Anklage der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart legt dem Mann zur Last, seit September 2011 mit Unterbrechungen als hauptamtlicher Kader der PKK an wechselnden Orten in Deutschland tätig gewesen zu sein. Bis zu seiner Festnahme habe er in Frankfurt, München/Südbayern, Stuttgart und Mainz sowie den Räumen Gummersbach und Koblenz typische Aufgaben eines PKK-Gebietsleiters wahrgenommen und in dieser Funktion etwa bei der Organisation von Demonstrationen und Veranstaltungen mitgewirkt. Auch habe er sich um die Sammlung von Spendengeldern bemüht und für die PKK zuletzt Spendeneinnahmen in Höhe von etwa 270 000 Euro verwaltet, heißt es in der Pressemitteilung des OLG Stuttgart.

Dass die Justiz mit einem langen Verfahren rechnet, zeigt sich schon daran, dass in dem Verfahren über 40 Prozesstermine bis Mitte Juli 2023 eingeplant sind. Das Verfahren gegen Ali E. beruht laut der kurdischen Nachrichtenagentur ANF auf der nach §129b StGB erforderlichen Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung, die das Bundesjustizministerium im Einvernehmen mit dem Bundesinnenministerium, dem Auswärtigen Amt und dem Bundeskanzleramt am 6. September 2011 erteilt hat.

»Das Widersprüchliche an diesem Verfahren ist, dass die Strafverfolgungsbehörden über einen so langen Zeitraum offenbar Hinweise auf eine angeblich ›terroristische‹ Betätigung des 71-Jährigen hatten, ihn gewähren ließen, aber dann wegen dieser – unter ihren Augen erfolgten – Aktivitäten wegsperrten und anklagten«, kritisiert das Solidaritätsnetzwerk Azadi.

Dass mit einer Verurteilung vor deutschen Gerichten für manche Kurd*innen die Angelegenheit nicht vorbei ist, zeigt ein weiterer Fall, den Azadi öffentlich machte. Weil er mehrfach bei Kundgebungen und Veranstaltungen der PKK aufgetreten sei, wird Kerem G. (43) vom Ausländeramt der sächsischen Stadt Bautzen mit einer Ausweisung aus der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei bedroht. Von ihm gehe eine »Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland« aus, so die Behörde. Der Kurde lebt mit seiner Frau schon mehrere Jahre in Deutschland, die Kinder haben die deutsche Staatsangehörigkeit. 

Am 8. November hat Kerem G. einen Termin beim Ausländeramt Bautzen, wo er die Gelegenheit bekommen soll, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Er hat anwaltlichen Beistand.

»Es ist unfassbar, dass Ukrainer*innen wegen ihres Mutes und Widerstands gegen die Armee Russlands von der Bundesregierung gefeiert und gelobt werden, Kurd*innen hingegen für ihre Aktivitäten und ihren Widerstand in Deutschland gegen die kriegerischen Verbrechen des Nato-Partners Türkei kriminalisiert oder gar dorthin ausgewiesen werden können, wo ihnen Verfolgung und Folter drohen«, kritisiert Azadi. Das Kernproblem dabei ist, dass die PKK, die für ihren Kampf gegen die islamistische Terrororganisation IS in den kurdischen Gebieten Iraks bis in linksliberale Kreise hinein Anerkennung bekommen hat, in Deutschland weiterhin verboten ist. Initiativen für eine Aufhebung des PKK-Verbots hatten bisher auch bei der neuen Bundesregierung keinen Erfolg.

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