Tröten statt zwitschern

Welche Alternativen gibt es zu Twitter?

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Es hat eine gewisse Ironie, wenn ein als von nicht wenigen als Twitter-Alternative gefeiertes Netzwerk den Namen einer längst ausgestorbenen Tierart trägt. Das Mastodon wanderte zuletzt vor rund 10 000 Jahren über den Planeten, präzise durch die Landstriche des heutigen Nordamerika. Dieser Unterart der Gattung Mammut setzte neben Klimaveränderungen und Krankheiten – wie sollte es auch anders sein – der gerade auf der nordamerikanischen Bildfläche erschienene Homo sapiens zu. 12 000 Jahre später reicht ein Vertreter des »vernünftigen Menschen« aus und plötzlich erlebt das Mastodon ein Comeback, zumindest in digitaler Form. Weil der rechtslibertäre und exzentrische US-Milliardär Elon Musk vor wenigen Tagen Twitter übernahm und nach Stand der Dinge den beliebten Kurznachrichtendienst innerhalb kürzester Zeit in einen Vorhof zur Hölle verwandeln könnte, auf dem Rassismus, Antisemitismus und andere menschenverachtende Ansichten völlig ungehindert gedeihen, suchen immer mehr Nutzer*innen nach einer Ersatzplattform. Klingt übertrieben? Als eine seiner ersten Maßnahmen strich Musk einer Mehrheit der zuständigen Mitarbeiter*innen jede Möglichkeit, gegen Hassbotschaften und die Verbreitung von Falschinformationen vorzugehen. In der Folge stieg die Zahl rassistischer Beiträge laut Beobachter*innen sprunghaft.

Bei Mastodon könnte alles anders sein – so zumindest die Hoffnung mancher Wechselwilligen. Im Unterschied zu Twitter gehört das soziale Netzwerk nämlich keiner Einzelperson, sondern kann theoretisch von jedem mitbetrieben werden, der einen eigenen Server finanzieren möchte. Dezentrale Organisation statt Konzentration. Die dafür notwendige Software wird im Wesentlichen von einer in Berlin seit 2021 ansässigen und durch Spenden finanzierten nicht-profitorientierten Firma entwickelt, deren Chef Mastodon-Erfinder und Informatiker Eugen Rochko ist. Inzwischen gibt es rund 3700 sogenannte Instanzen, also Server, auf denen der Dienst läuft. Verbunden ist das alles über das Fediverse, sozusagen die technische Schnittstelle, damit Nutzer*innen unterschiedlicher Instanzen miteinander kommunizieren können.

Aus dem Netz gefischt
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Wer Mastodon ähnlich wie Twitter nutzt, muss gar nicht alle technischen Details kennen. Wichtig ist aber: Jede Instanz legt ihre eigenen Hausregeln fest, was für Inhalte erlaubt sind. Im Prinzip können damit auf einem Mastodon-Server nur bestimmte Themen zulässig sein, während sich auf einem anderen die gleichen belastenden Kommunikationsdramen abspielen wie auf dem Netzwerk mit dem blauen Vögelchen als Logo. Eine Garantie, dass es auf Mastodon ein dauerhaftes harmonisches Miteinander gibt, besteht nicht. Da sollte sich niemand Illusionen hingeben.

Wirkliche Lackmustests musste das dezentrale Netzwerk bisher noch nicht bestehen, was schlicht auch mit der bisher überschaubaren Nutzer*innenzahl zu tun gehabt hat. Auf Mastodon gab es Stand Ende Oktober rund 5,7 Millionen aktive Accounts, Twitter bringt es im Vergleich dazu auf mehr als 230 Millionen Nutzer*innen, die mindestens einmal am Tag aktiv sind.

Schon jetzt stößt das Netzwerk teils an seine Grenzen. »Wer noch Modem-Ladezeiten erlebt hat, könnte Mastodon auch einfach als nostalgische Übung in Entschleunigung begreifen«, zwitschert der »Zeit«-Redakteur Niels Markwardt ironischerweise bei Twitter und nicht auf Mastodon, wo ein Beitrag getrötet wird.

Die Idee hinter dem dezentralen Netzwerk funktioniert nur, wenn sich dieser Teil des Internets in Richtung jenes Ideals entwickelt, das manche, vielleicht manchmal etwas native Pionier*innen dieser Technik einst im Sinn hatten: Es braucht das Kollektiv, damit es funktioniert. Mastodon kann und will nämlich nicht, anders als Tech-Giganten wie Meta (Facebook, Istagram) oder Alphabet (Google), an den Finanzmärkten Investor*innen bequatschen, um neue Technik und Weiterentwicklung zu finanzieren. Ab diesem Moment wäre das Netzwerk den gleichen, kapitalistischen Logiken unterworfen, die eines der großen Übel bei Facebook und Co begründen: die unbändige Gier nach Daten und ihrer kommerziellen Verwertung.

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