Das schwarze Gold bleibt trotz Gegenwind lukrativ

Die Kohleindustrie macht Gewinne wie nie. Dabei wurde beim Klimagipfel 2021 ein globaler Ausstieg auf den Weg gebracht

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Beste Stimmung herrscht derzeit beim weltgrößten Rohstoffhändler: Die schweizerische Glencore konnte ihren Gewinn im ersten Halbjahr 2022 auf umgerechnet rund 19 Milliarden Euro verdoppeln. Die Aktionäre dürfen sich über milliardenschwere Sonderdividenden und Aktienrückkäufe freuen, welche den Kurs ihrer Wertpapiere weiter in die Höhe treiben. Allein das Geschäft mit Kohle steuerte die Hälfte zum Gewinn von Glencore bei. Als weltweiter Produzent und Exporteur des »schwarzen Goldes« profitiert der Konzern von der globalen Energiekrise und den rasant gestiegenen Preisen für fossile Rohstoffe wie Gas, Öl und eben Kohle. Ende Oktober meldete Glencore indes auch für fünf von zehn Rohstoffen rückläufige Produktionsvolumina im bisherigen Jahresverlauf, eine Folge abnehmender Nachfrage infolge globaler Rezessionssorgen. 

An den Rohstoffbörsen hat sich der Preis für Steinkohle seit Februar verfünffacht. Glencore erwartet einen weiteren Anstieg. Dafür gibt es zwei Gründe: So haben Ukraine-Krieg und Sanktionen gegen Russland Kohle in Europa verknappt. Gleichzeitig wächst der Kohlehunger weltweit weiter, meldet die Fachzeitschrift für Energiewirtschaft »ET«. 

Noch nie in der Geschichte wurde global mehr Kohle gewonnen und verstromt als 2021. Und auch in diesem Jahr könnte nochmals ein Rekord erzielt werden, prognostiziert die Internationale Energieagentur IEA. Zumindest in den kommenden zwei Jahren werde dieses hohe Level gehalten werden. 

Damit rechnen auch die Umweltorganisation Urgewald und Partnerinitiativen. Diese legten jetzt zum Start des UN-Klimagipfels in Ägypten eine aktuelle »Global Coal Exit List« vor, die detaillierte Daten über mehr als 1000 Unternehmen enthält, die entlang der Wertschöpfungskette der Kohle tätig sind. Demnach entwickeln 490 Unternehmen neue Kraftwerke, Bergwerke oder Transportinfrastruktur für Kohle. 

Doch der Druck auf die Industrie wächst. Bei der Klimakonferenz in Glasgow hatten sich im vergangenen Jahr alle Staaten erstmals auf eine beschleunigte globale Energiewende weg von der Kohleverbrennung geeinigt. Staaten, Regionen, Firmen und Institutionen verpflichteten sich, die Kohleverbrennung schrittweise abzubauen.

Seither hat sich auch in der Finanzbranche einiges getan. So ist die Zahl der Anti-Kohle-Richtlinien in der globalen Versicherungsbranche auf 41 gestiegen, wobei sich große Versicherer wie AIG oder Travelers dem Druck von Investoren gebeugt haben sollen. Der Marktanteil der Versicherer mit Kohleausschlüssen hat nunmehr 39 Prozent in der Erstversicherung und sogar 62 Prozent in der letztlich maßgeblichen Rückversicherung erreicht. Viele der Finanzfirmen ohne Kohleausschlüsse haben zudem keine Erfahrung mit Rohstoffen und können deshalb kaum in die Bresche springen, schlussfolgert die australische Organisation Insure Our Future. Kampagnenleiter Peter Bosshard optimistisch: »Kohle ist außerhalb Chinas fast unversicherbar geworden.« 

Ohne Versicherung steigt das Risiko im Geschäft mit der Kohle, was wiederum Banken und Investoren abschrecken dürfte. Neue Projektfinanzierungen werden dadurch schwieriger und letztlich teurer. Was Kohle als Brennstoff, in der Stahlproduktion und als Rohstoff in der Chemieindustrie unattraktiver macht. Zusammen mit den internationalen politischen Vorgaben dürfte damit der Anfang vom Ende der Kohlewirtschaft eingeläutet worden sein. 

Diese Entwicklung stürzt viele Regierungen angesichts wachsender Bevölkerung, fehlender Arbeitsplätze für Jugendliche und des Wunschs der Menschen nach Energie und Wärme oder Kühlung in ein Dilemma. So werden vor allem in China und in Indien neue Kohlekraftwerke geplant. Dort sowie in Australien und Russland, Indonesien und Südafrika wollen Bergbaufirmen mit politischer Unterstützung die Kohlegewinnung noch ausbauen. Werden solche Pläne realisiert, würde dies die globalen Kohlekraftwerkskapazitäten noch deutlich steigern. 

Dennoch hat auch China die Glasgow-Deklaration zum Kohleausstieg unterzeichnet. Das Reich der Mitte ist das mit weitem Abstand größte Abbauland von Kohle und der größte Verbraucher. Etwa vier Milliarden Tonnen dürften dort 2022 verfeuert werden, weit mehr als die Hälfte des gesamten Weltverbrauchs. Indien als Nummer zwei kommt auf knapp 800 Millionen, die USA auf über 500 Millionen Tonnen, Deutschland auf rund 30 Millionen. Ihren Importbedarf decken Indien und China vornehmlich in Indonesien, Südafrika und Australien, dem global drittgrößten Emittenten von Treibhausgasen und größtem Exporteur von Kohle weltweit. 

Und Glencore? Der Konzern hatte in der Rangliste der Rohstoffhändler einige Zeit das Nachsehen gegenüber den konkurrierenden Bergbauriesen BHP und Rio-Tinto mit Hauptsitz in Australien. Nun profitiert Glencore ausgerechnet von seiner Entscheidung, am Kohlegeschäft festzuhalten, während sich die Wettbewerber daraus zurückzogen. Deren weltweiten Anteilseignern schien das Geschäft mit der Kohle nicht mehr hinreichend gewinnträchtig.

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