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Nur die Feuerwehr kommt durch
Leipziger Antifaschisten blockieren rechten Aufmarsch erfolgreich. Woanders dominiert der Hass
Kurz vor 20 Uhr war die Straße dicht. Mehrere Hundert Menschen hatten sich auf dem Leipziger Innenstadtring versammelt. Entschlossen hatten sie sich über die komplette Straßenbreite verteilt auf den Asphalt gesetzt und eine Formation gebildet, die aus etlichen Reihen bestand und recht imposant wirkte. An der Frontseite ein großes Transparent: »Kampf dem Faschismus«. Direkt vor ihnen: die rechte Montagsdemonstration, die sie soeben zum Stillstand gebracht hatten.
Erneut wollten die Rechten um den Ring marschieren, sich als Erben der Friedlichen Revolution ausgeben. Seit Jahren geht das nun so, mit wechselnden Themen: Migration, Corona, Krieg. Doch diesmal war kurz vor der »Runden Ecke«, wo sich einst die Stasi-Bezirksverwaltung befand und heute ein Museum an diese Zeit erinnert, Schluss: Eine Blockade von etwa 500 Antifaschist*innen hinderte die Rechten am Weiterlaufen.
»Was für ein Abend, was für ein Erfolg!!!«, twitterten die »Omas gegen Rechts Leipzig«. Auch sie hatten sich, neben vielen jungen Leuten, an der vom Aktionsnetzwerk »Leipzig nimmt Platz« organisierten Gegendemonstration beteiligt. Tatsächlich war es aus ihrer Sicht, nach etlichen Rückschlägen in jüngster Zeit, ein gelungener Montag: Seit Monaten gibt es in vielen Städten insbesondere in Ostdeutschland rechte Proteste, die sich vordergründig gegen die Energiepolitik der Bundesregierung richten, im Kern aber aus Sicht von Expert*innen auf einen Umsturz abzielen. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow warnte bereits vor einer neuen »faschistischen Bewegung«. Ein zentraler Akteur sind die »Freien Sachsen«, eine rechtsextreme Kleinstpartei. Aber auch AfD-Politiker werden immer wieder gesichtet.
Auch an diesem Montag beteiligten sich wieder Tausende an den rechten Demonstrationen. In Chemnitz gingen am Abend laut »Freie Presse« rund 2000 Menschen auf die Straße. Auf ihrem Frontbanner forderten sie: »Wahrheit-Frieden-Freiheit«.
In Plauen hat sich derweil ein »Forum für Demokratie und Freiheit« gebildet, das regelmäßig sonntags Tausende mobilisiert. Jüngst hetzte dort ein Redner gegen demokratische Politiker*innen, Transpersonen und Migrant*innen: »Es ist die wohlstandsverwahrloste grüne Sekte, die an die Seelen unserer Kinder und Enkel will. Ich wiederhole: die grüne Sekte und ihr rot-gelber Wurmfortsatz mit einem verwirrten Gesundheitsminister«, rief er und erhielt tosenden Applaus. Geschlechtsangleichungen bezeichnete er als »abscheuliches Experiment« und verbreitete Falschinformationen, als er vor einer angeblichen Kastration Neugeborener warnte: »Dann gibt es nur noch Eunuchen! Wollt ihr das?« Ebenso wandte er sich gegen Muezzinrufe und »illegal eingereiste Männer, die mit Messern und Macheten Menschen zerstückeln«.
Man erkennt: Mögliche Sorgen wegen gestiegener Energiepreise infolge des Krieges in der Ukraine treten dort offensichtlich in den Hintergrund, stattdessen dominiert der Hass auf eine vielfältige Gesellschaft. »Schauderhaft« nannte die Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas (CDU) die Äußerungen: »Demokratischer Protest ist das definitiv nicht.« Die Polizei Sachsen prüft unterdessen, ob es sich hierbei um einen Fall von Volksverhetzung handelt: Die Sache liege beim Staatsschutz, erklärte Pressesprecher Christian Schünemann der »Freien Presse«.
Auch in Leipzig finden regelmäßig rechte Demonstrationen statt. Doch das Bild ändert sich langsam wieder: Die Teilnehmer*innenzahlen bei den Rechten gehen zurück, während aufseiten der Gegendemonstrationen die Zahlen steigen. Mit Blick auf das gesamte Bundesland sprach Sachsens Innenminister Armin Schuster auf der Kabinettspressekonferenz am Dienstag von 100 Demonstrationen mit 22 000 Teilnehmer*innen. Die Zahlen bewegten sich laut dem CDU-Politiker zwischen 20 000 und 35 000 Demonstrierenden, gingen aber tendenziell zurück. Sein Fazit: »Wir haben keinen Wutherbst.«
Doch die Gefahr ist natürlich längst nicht gebannt. Die Demo in Leipzig hatte besondere Aufmerksamkeit erhalten, weil die Rechten mit Fackeln aufmarschieren wollten – ausgerechnet kurz vor dem Jahrestag der Nazi-Pogrome. Erst kurz vor Beginn wurden die Fackeln verboten, nach »öffentlichem Druck«, so Irena Rudolph-Kokot von »Leipzig nimmt Platz«. Und: Vor zwei Jahren feierten die »Querdenker« in Leipzig einen Erfolg, als sie mit Zigtausenden über den Ring zogen und Polizei, Gegendemonstrant*innen und Journalist*innen angriffen. Nun wollten sie diesen Erfolg wiederholen – doch es kam anders: Nur einmal öffnete sich die Blockade, als sie zwei Feuerwehrwagen passieren ließ. Die Antifaschist*innen huschten an den Seitenrand, um sich dann umgehend wieder in ihre Formation zu begeben. Die Rechten hatten diesmal, zumindest in Leipzig, keine Chance.
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