Alle Signale stehen auf Konfrontation

Nach dem Anschlag auf Imran Khan verschärft sich der innenpolitische Konflikt in Pakistan

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 4 Min.

Imran Khan lässt sich von dem Attentatsversuch nicht bremsen. Am Donnerstagnachmittag (Ortszeit) will seine Partei, die Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI), ihren nach dem Anschlag unterbrochenen »langen Marsch« fortsetzen. Khan selbst, der sich in einer Klinik in Lahore nach einer OP von seinen Verletzungen erholt, betonte am Montag erneut, die PTI werde erst einlenken, wenn sie ihr Ziel – die Zusage möglichst umgehender Neuwahlen – erreicht habe. Zudem rief er Staatspräsident Arif Alvi auf, persönlich für Ermittlungen zu dem fehlgeschlagenen Attentat Sorge zu tragen.

Der Polizeichef der Provinz Punjab hat wiederum auf Anweisung des Obersten Gerichtshofes eine offizielle Anzeige aufgenommen. Als Beschuldigter mit den Vorwürfen Terrorismus, Mord und Mordversuch wird darin jener Mann genannt, von dem öffentlich bisher nur der Vorname Navid bekannt ist. Er ist der mutmaßliche Schütze, der vorigen Donnerstag mit einer Pistole auf Imran Khan gefeuert hatte. Der Ex-Premier stand dabei auf jenem Container-Lastwagen, der ihm beim »langen Marsch« als Bühne dient. Khan wurde aber nur an den Beinen getroffen, dafür starb ein einfaches PTI-Mitglied. Sieben weitere Personen, darunter ranghohe Parteivertreter wie ein Senator und ein Ex-Gouverneur der Provinz Sindh, wurden verletzt.

Der einstige Kricketstar Imran Khan, dessen sportliche Karriere in den frühen Neunzigerjahren ihren Höhepunkt hatte, spielte als Oppositionspolitiker viele Jahre eine relativ einsame Rolle. 2018 fuhr seine PTI dann einen klaren Wahlsieg ein, er selbst galt dabei vielen als unbelasteter Hoffnungsträger, der mit Korruption und anderen Grundübeln des Landes aufräumen würde. Viele Versprechen konnte er nicht einlösen, im vergangenen April wurde er als erster Regierungschef in der Landesgeschichte per Misstrauensvotum gestürzt. Seither führen er und die PTI einen regelrechten Feldzug gegen die neuen Machthaber. In der gegenwärtigen Regierungskoalition geben die beiden traditionell dominierenden Parteien, die Pakistanische Muslimliga-Nawaz (PML-N) von Premier Schehbaz Scharif und die Pakistanische Volkspartei (PPP) von Ex-Präsident Asif Ali Zardari und seinem Sohn, Außenminister Bilawal Bhutto-Zardari, den Ton an.

Schon seine Abwahl vor einem halben Jahr hatte Khan auf eine Verschwörung unter Beteiligung ausländischer Mächte zurückgeführt – gemeint waren die USA. Jetzt legte er abermals nach, indem er Premier Schehbaz Scharif, Innenminister Rana Sanaullah und einen ranghohen Vertreter des Militärs als Drahtzieher des Attentatsversuchs beschuldigte. Den Vorwurf haben er und weitere namhafte PTI-Vertreter inzwischen mehrfach wiederholt. Solange diese drei Namen nicht in der Anzeige der Polizei auftauchten, erkenne man dieses Papier nicht als Basis für zielführende Ermittlungen an, hieß es am Montag aus Parteikreisen.

Ob der überwältigte Schütze allein handelte, wird weiter untersucht. Es kursieren Aussagen von Augenzeugen, die Schüsse aus einer zweiten, automatischen Waffe gehört haben wollen – und nicht aus einer Pistole. Nachdem selbst einige seiner politischen Kontrahenten nach dem Vorfall bestürzt reagiert und Imran Khan öffentlich schnelle Genesung gewünscht hatten, war dieser Moment des nationalen Innehaltens ganz schnell vorbei. Der Ex-Premier und seine Getreuen an der PTI-Spitze haben mit ihren Anschuldigungen wesentlich dazu beigetragen. Mit den Anführern von PML-N und PPP sei »kein Kompromiss möglich«, so Ex-Premier Khan kämpferisch. Er schloss kategorisch jede Einigung mit den aktuell Regierenden aus.

Präsident Arif Alvi, der 1996 zu den Mitbegründern der PTI gehört hatte und sich bisher betont aus dem verschärften innenpolitischen Konflikt heraushielt, bot in den letzten Tagen bereits zweimal seine Vermittlung zwischen den verfeindeten Lagern an, nachdem er und seine Frau Imran Khan am Samstag im Krankenhaus besucht hatten. Es gehe darum, wenigstens in zentralen Staatsfragen wieder zu einer grundlegenden Einigung zu kommen.

Derzeit scheint aber niemand gewillt, auf solche Signale für eine Entspannung eingehen zu wollen. PTI-Anhänger stießen seit dem Mordversuch an ihrem Idol in mehreren Städten gewaltsam mit der Polizei zusammen. Die Justiz bereite derweil auf Betreiben der Regierungsseite neue Anklagen gegen Khan und enge Vertraute wegen des »Angriffs auf staatliche Institutionen« vor, wurde gemeldet.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.