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Neuer Streit um Hauptstadtzulage
Beschäftigte an den Unis wollen Zuschuss erhalten
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – diesen Grundsatz sehen Gewerkschafter an den Berliner Universitäten verletzt. Das Land Berlin zahlt allen seinen Beschäftigten bis zur Gehaltsstufe E13 eine Hauptstadtzulage, um den Landesdienst gegenüber den Bundesbehörden attraktiver zu machen. Beschäftigte an den Hochschulen sind davon jedoch ausgeschlossen, weil die Universitäten als Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht zum unmittelbaren Landesdienst zählen. Betroffen sind auch Beschäftigte anderer Körperschaften wie der Berliner Stadtreinigung und der Berliner Bäderbetriebe. Mit einer Petition wollen Gewerkschafter jetzt erreichen, dass auch die Tarifbeschäftigten an den Unis von der Sonderzahlung profitieren.
Bis zu 150 Euro umfasst die Hauptstadtzulage, die Landesbeschäftigten können einen Teil des Zuschlags auch als steuerfreien Zuschuss zum Monatsticket bekommen. »Zumindest ein paar Tropfen auf dem heißen Stein« wäre die Zulage in der aktuellen Situation für viele Beschäftigte an den Hochschulen, sagt Claudius Naumann von der Verdi-Betriebsgruppe an der Freien Universität, die die Petition initiiert hat, zu »nd«. So könnten die Belastungen durch Inflation und steigende Energiepreise zumindest abgefedert werden, hofft er. Auffällig ist, dass beamtete Mitarbeiter an den Hochschulen als Bedienstete des Landes die Zulage erhalten – Tarifbeschäftigte, deren Dienstherren die Universitätspräsidenten sind, jedoch nicht. »Wir finden gut, dass beamtete Mitarbeiter von der Hauptstadtzulage profitieren, aber dass Tarifbeschäftigte ausgenommen sind, ist absurd«, sagt er.
Der Gehaltsunterschied zum restlichen öffentlichen Dienst mache die Universitäten als Arbeitgeber unattraktiv. »Die Universitäten haben in den letzten Jahren wahnsinnig viele Beschäftigte verloren«, sagt Naumann. Aus der Verwaltung seien viele Beschäftigte in die Bezirksämter oder Senatsverwaltungen gewechselt. In den Bereichen IT und Veterinärmedizin seien die Löhne häufig nicht mit der Entlohnung in der Privatwirtschaft konkurrenzfähig. Die Kleintierklinik in Düppel beispielsweise habe aufgrund des Personalmangels inzwischen den Nacht- und Wochenendbetrieb eingestellt.
»Da entsteht dann ein Teufelskreis«, sagt Naumann. »Für den Rest wird die Arbeit dann noch anstrengender und am Ende gehen noch mehr.« Verwaltungsprozesse verzögerten sich deutlich. »Bei der Personalstelle kriegt man inzwischen auf Anfragen nur noch eine automatische Antwort, dass die Antwort dauern wird«, berichtet er. »Das führt dann dazu, dass beispielsweise tarifliche Zuschläge nicht korrekt gezahlt werden.«
»In Berlin ist der Wettbewerb um die besten Köpfe groß«, sagt auch Hans-Christoph Keller, Sprecher der Senatsverwaltung für Wissenschaft, zu »nd«. »Der zunehmende Fachkräftemangel und die Wettbewerbssituation mit den Bundesbehörden erschweren die Personalgewinnung an den Hochschulen.«
Auf »nd«-Anfrage verweist Frederik Bromboch, Sprecher der Senatsverwaltung für Finanzen, darauf, dass die Hochschulen als eigenständige Arbeitgeberinnen selbst die Grundlagen dafür schaffen müssten, die Zulage auszuzahlen. Dazu sehen sich die Universitäten jedoch nicht in der Lage. 2020 rechnete das Präsidium der Technischen Universität auf Anfrage des Betriebsrats mit 8,5 Millionen Euro Mehrkosten, sollte es die Hauptstadtzulage zahlen müssen. Ohne eine Kostenübernahme durch das Land sei das nicht möglich.
Claudius Naumann hofft, dass die Petition noch zu einem Umdenken führt. Mit den im Nachtragshaushalt beschlossenen Mitteln gebe es genügend finanziellen Spielraum. Die Personalräte an der FU haben die Petition bereits unterzeichnet. Jetzt setzt Naumann auf die Unterstützung der übrigen Personalräte und der gewerkschaftlichen Betriebsgruppen, »damit die Petition viral geht«.
Die 2020 eingeführte Hauptstadtzulage sorgte bereits in der Vergangenheit für Ärger: Da sich die anderen Bundesländer durch die Sonderzahlung benachteiligt sahen, drohte Berlin zwischenzeitlich der Ausschluss aus der Tarifgemeinschaft der Länder. Der Streit darum, ob auch höher eingestufte Beamte von der Zulage profitieren sollen, musste vor Gericht geklärt werden. Im März kam es zudem zu Protesten von Erzieherinnen und Erziehern, die in Kitas unter freier Trägerschaft arbeiten und wie die Universitätsbeschäftigten von der Zulage ausgeschlossen sind. Eine Petition des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, die eine Gleichstellung forderte, erhielt damals 15 000 Unterschriften.
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