• Berlin
  • Grüne in Brandenburg

Würdelose Sprüche über Arbeitslose

Brandenburgs Ökopartei verteidigt Bürgergeld gegen Falschbehauptungen der CDU

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schickt vom Klimagipfel eine Videobotschaft an ihre Brandenburger Parteifreunde, die sich am Samstag zu einer Landesdelegiertenkonferenz in der Stadthalle von Falkensee treffen beziehungsweise via Internet zugeschaltet sind.

Michael Kellner, Parlamentarischer Staatssekretär von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), ist persönlich vor Ort und teilt gegen die CDU aus, die am Freitag im Bundesrat das Bürgergeld durchfallen ließ, mit dem das unsoziale Hartz-IV-System abgelöst werden soll. Es sei eine Falschbehauptung, dass das Bürgergeld üppiger ausfalle als der gesetzliche Mindestlohn und sich arbeiten nicht mehr lohnen würde. „Verheerend» nennt es Kellner, Flüchtlingen „Sozialtourismus» zu unterstellen. Damit meint er Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU). Die Regionalbahnstrecke 63 zwischen Templin und Joachimsthal in Zeiten der Klimakrise stillzulegen, bezeichnet Kellner als „Irrsin» und zielt damit auf den verantwortlichen Verkehrsminister Guido Beermann (CDU).

In der rot-schwarz-grünen Koalition erzwang die CDU, dass Brandenburg dem Bürgergeld im Bundesrat nicht zustimmen durfte, sondern sich der Stimme enthalten musste. Das nennt Landessozialministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) in Falkensee „schäbig». Sie will keine neuen Debatten über „soziale Hängematten», in denen es sich Arbeitslose angeblich bequem machen, und über „spätrömische Dekadenz». Mit der Äußerung, wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspreche, lade zu spätrömischer Dekadenz ein, hatte einst der inzwischen verstorbene FDP-Spitzenpolitiker Guido Westerwelle provoziert.

Auch die Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang macht in Falkensee klare Ansagen an die CDU. Diese habe viele Jahre lang den Ausbau von Windkraft und Solarenergie verschlafen und Deutschland in eine Abhängigkeit von russischem Gas manövriert. Stehend applaudieren die Delegierten ihrer Bundesvorsitzenden.

Doch das alles ist überhaupt nichts gegen den Moment, in dem die Landesvorsitzende Alexandra Pichl sichtlich bewegt verrät: „Hallo CDU. Ich war arbeitslos – und zwar bereits zwei Mal in meinem Leben.» Es habe jeweils zwölf Monate gedauert, einen neuen Job zu finden. Sie sei nicht zu faul gewesen. Sie habe unzählige Bewerbungen geschrieben. Die Situation habe sie traumatisiert, erzählt die Landesvorsitzende den Tränen nahe. Auch nach 15 Jahren plage sie noch die Angst, sie habe beim Ausfüllen der Formulare irgendeinen Fehler gemacht und könnte deswegen Post bekommen. „Hört endlich auf, die Menschen, die arbeitslos werden, zu stigmatisieren», verlangt Pichl von der CDU. Nicht nur Landtagsfraktionschef Benjamin Raschke ist sichtlich beeindruckt von diesem Auftritt seiner Landesvorsitzenden, der mit stehenden Ovationen für ihre Ehrlichkeit gedankt wird.

Vor zwei Jahrzehnten führten die Grünen Hartz IV zusammen mit der SPD ein. Inzwischen versuchen sie in Brandenburg, nicht mehr nur mit Umweltschutzpolitik zu punkten, sondern auch ein soziales Gesicht zu zeigen. Anträge zur Sozialpolitik rutschen aber vor Parteitagen regelmäßig in der Rangliste hinter die Initiativen zum Klimaschutz und werden dann nicht behandelt. Immerhin: Eine Delegierte wünscht sich in Falkensee genau deswegen eine Änderung der Verfahrensweise.

Beschlossen wurde ein Antrag der Grünen Jugend und der AG Demokratie, Recht und Antifaschismus, alles zu versuchen, um das von Innenminister Stübgen geplante Abschiebezentrum am Flughafen BER zu stoppen.

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