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Das Geschäft mit dem Mangel bei der Bundeswehr

Der Munitionsvorrat beim deutschen Militär schwindet. Nun tagte ein Krisengipfel im Kanzleramt

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Wertvolles und tödliches Gut für die Bundeswehr
Wertvolles und tödliches Gut für die Bundeswehr

Kanzler Olaf Scholz und seine engsten Berater, die Staatssekretäre aus dem Verteidigungs-, Wirtschafts- und Finanzministerium sowie des Auswärtigen Amtes, hatten am Montagabend Vertreter der Rüstungsindustrie ins Kanzleramt gebeten. Laut Einladung ging es um Probleme »insbesondere bei Munition und Ersatzteilen für die Ukraine und die Bundeswehr«.

Dass die Munitionsvorräte der Bundeswehr nicht ansatzweise den von der Nato geforderten Normen entsprechen, ist eine Binsenweisheit. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine im Februar 2022 leeren sich die Depots. Deren exakten Füllstand halte die Regierung geheim, weil sich daraus Rückschlüsse auf Einsatzbereitschaft und Kampfkraft sowie Planungen der Nato ableiten ließen, heißt es in der aktuellen Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion.

Gemessen an den Bündnisvorgaben gibt es bis 2031 ein Investitionsdefizit von mindestens 20 Milliarden Euro. Schaut man in die Finanzplanungen des Verteidigungsministeriums, so kann man den Einkaufswagen nur sehr langsam füllen. 2023 stehen rund 1,1 Milliarden Euro und in den kommenden zwei Jahren jeweils gut 500 Millionen Euro für den Munitionsnachschub bereit.

Damit ist das »Nachschubproblem Ukraine« nicht annähernd gelöst. Die Bundesregierung erteilt im Fließbandverfahren Einzelgenehmigungen zur Ausfuhr von Rüstungsgütern in das Kriegsgebiet. Bis zum 21. November betrug deren Wert rund 1,6 Milliarden Euro. Unter den Lieferungen befinden sich viele Tonnen unterschiedlichster Munition. An manchen Tagen verbrauchten ukrainische Truppen bis zu 20 000 Artilleriegranaten. Nach aktuellem Stand kann der Bedarf durch die deutsche Rüstungsindustrie über Jahre hinweg nicht gedeckt werden.

SPD-Chef Lars Klingbeil will die Industrie unter Druck setzen, damit sie die Kapazitäten mit hoher Geschwindigkeit ausbaut. Zur Not müsse man bei anderen Nato-Ländern Munition einkaufen, schlägt er vor. Wo nichts ist, lässt sich aber nichts kaufen. Die Lager sind überall geleert. Sogar in den USA, wie die »New York Times« jüngst nachwies.

In den vergangenen drei Jahrzehnten hatte die Bundeswehr – wie viele Nato-Partner – immer weniger Munition beschafft. Zudem sorgten strenge deutsche Exportrichtlinien dafür, dass die deutsche Rüstungsindustrie ihre Munitionsherstellung an Töchter im Ausland abgab. Von dort ließen sich Profite in Krisen- und Kriegsgebieten erwirtschaften. In Deutschland wurden Kapazitäten stillgelegt. Sie zu aktivieren – so das möglich ist –, braucht Jahre. Also soll es zunächst einmal dauerhafte Zusagen der Abnehmer geben, vermutlich aus dem Kanzleramt. Aus rechtlichen Gründen unwahrscheinlich ist dagegen, dass sich die Bundesregierung mit Krediten am Aufbau neuer Anlagen beteiligt.

Selbst wenn eine Rüstungsankurbelung gelingen sollte, fehlt es etwa an Grundstoffen. Weil das deutsche Geschäft nur marginal war, stellten auch deutsche Pulver- und Sprengstoffhersteller die Produktion ein. Die wenigen, die weiter produzierten, kauften Ausgangsstoffe bei Firmen, die – wie man jetzt feststellt – oft direkt oder indirekt in chinesischer Hand sind. Angeblich fallen diese Lieferanten seit gut einem halben Jahr aus. Nicht einmal simple Granaten lassen sich einfach mit Pulver füllen, denn es braucht mindestens sechs Monate Ruhezeit, bevor es weiterverarbeitet werden kann. Ob es dann genügend Stahlhülsen gibt, ist ungewiss. Bei Lenkwaffen oder intelligenten Artilleriegranaten muss man mit einem Bestellungsvorlauf von ein bis zwei Jahren rechnen – auch weil Chips fehlen.

Da inzwischen immer mehr Staaten versuchen, ihre Todesproduktion hochzufahren, verschärft sich der Wettlauf um Ressourcen. Daher kaufte der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall Mitte des Monats den spanischen Munitions- und Sprengstoffhersteller Expal Systems S.A. für 1,2 Milliarden Euro. Mit dem Erwerb vervielfacht Rheinmetall seine Kapazitäten. Es ist damit zu rechnen, dass Expal künftig auch die von der Ukraine benötigte 35mm-Munition für den von Deutschland gelieferten Flugabwehrpanzer »Gepard« sowie Teile für das Flugabwehrsystem Iris-T produzieren soll. So lange das Sterben in der Ukraine weitergeht, sind Auftragsbücher und Kassen der Kriegsprofiteure gut gefüllt.

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