Die Füße nicht vergessen

Zahl der Amputationen bei Menschen mit Diabetes ist weiterhin zu hoch

Acht Millionen Menschen sind aktuell in Deutschland an einer Form von Diabetes erkrankt, bei 95 Prozent handelt es sich um die im Laufe des Lebens erworbene Typ-2-Diabetes. Wiederum bei 2,6 Millionen Menschen entwickelt sich im Zuge der Stoffwechselerkrankung ein diabetisches Fußsyndrom. Seine Symptome werden häufig zu spät erkannt: Es beginnt mit Taubheitsgefühlen in den Beinen und trockener Haut, mit schlecht heilenden Geschwüren, kalten Füßen, bis hin zu Verformungen des Fußskeletts und Schmerzen beim Gehen. In nicht abheilenden kleinen Wunden können sich Infektionen ausbreiten, lange eingewachsene Fußnägel führen ebenfalls zu Schmerzen.

Häufig werden die Symptome von Patienten nicht ernst genommen. Auch Ärzte sehen manchmal – zu schnell – nur den Ausweg einer Amputation. Wie zumindest ein Teil davon in Zukunft verhindert werden kann, darüber berieten Mediziner auf der Herbsttagung der Deutschen Diabetesgesellschaft (DDG) in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Angiologie (DGA). Die Gefäß- und Diabetesspezialisten trafen sich Ende letzter Woche in Wiesbaden.

Die Sorge um die Menschen mit dem diabetischen Fußsyndrom könnte in Zukunft noch eine ganz andere Dimension bekommen: Denn für 2040 werden zwölf Millionen Diabetespatienten in Deutschland erwartet. Wenn einer großen Zahl von diesen am Ende nur mit einer Amputation geholfen werden kann, bedeutet das eben auch für eine große Gruppe starke Einschränkungen in der Lebensqualität. Denn Betroffene können ihren Alltag kaum noch selbständig bewältigen, weniger als 15 Prozent der ober- oder unterschenkelamputierten Diabetespatienten können mit Prothesen wieder gehen lernen. Das Sterberisiko der gesamten Gruppe ist mit über 50 Prozent fünf Jahre nach der Amputation deutlich erhöht.

Von allen Amputationen an Zehen, Füßen und Beinen in Deutschland werden über 70 Prozent nach einem diabetischen Fußsyndrom durchgeführt. Auch weil Betroffene ein gestörtes Druck- und Schmerzempfinden in den unteren Gliedmaßen haben, bemerken sie kleine und größere Verletzungen nicht rechtzeitig. Hinzu kommen Durchblutungsstörungen, die eine Wundheilung behindern. Insofern gehört bei Diabetespatienten die Kontrolle der Füße zur dauerhaft nötigen Überwachungsroutine. Medizinische Fußpflege kann auch vorbeugend helfen. Tritt das Fußsyndrom dann aber auf, ist eine Behandlung in spezialisierten Zentren angeraten. Erprobt ist folgender Behandlungablauf: Druckentlastung, Infektionsbekämpfung, Verbesserung der Durchblutung durch Katheter oder Gefäßoperationen. Letzteres ist jedoch nur in begrenzter Anzahl möglich. Erst dann kommt eine Amputation in Frage. Sie sollte aber möglichst vermieden werden.

Es gibt zwar bereits 320 Fußbehandlungszentren, aber das ist nicht genug. Es zeige sich, so berichtet Michael Eckhard von der Uniklinik Gießen/Marburg, dass regional die Amputationszahlen dort niedriger seien, wo auch die Zentren etabliert seien. Eckhard ist zugleich Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Diabetischer Fuß der DDG. Diese AG forderte bereits 1992 ein reguläres Zeitmeinungsverfahren vor einer Amputation. Das wurde nun endlich im vergangenen Jahr durch den Gemeinsamen Bundesausschuss für das Gesundheitswesen als Rechtsanspruch für die Patienten verankert. Insofern sei man jetzt endlich auf dem richtigen Weg, erklärt Eckhard.

Damit dieses Recht von Betroffenen auch wahrgenommen werden kann, hat die AG Diabetischer Fuß zusammen mit weiteren Fachgesellschaften und Selbsthilfeorganisationen eine Informationskampagne gestartet. Unter dem Titel »Amputation – Nein, danke!«, unter anderem auf der gleichnamigen Webseite www.amputation-nein-danke.de, finden Betroffene und Angehörige auch Möglichkeiten, einen Zweitmeinungsgeber in ihrer Region ausfindig zu machen, zumindest theoretisch. Denn davon gebe es noch zu wenige, wie Diabetologe Eckhard einräumt.

Was es immerhin schon gibt, sind deutschlandweit acht regionale Fußnetze, die über interdisziplinäre Teams verfügen. Dort wurden bereits 70 000 Patienten aufgenommen und mit strukturierten Behandlungskonzepten erfolgreich therapiert. Dieses Vorgehen hat erheblichen Anteil daran, dass die Amputationsrate oberhalb der Knöchel bei den dort behandelten Patienten von 2,8 auf 0,4 Prozent gesunken ist.

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