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Inszenierung statt Schuldeingeständnis
Lasse Thiele über die Ergebnisse des Weltklimagipfels
Am Ende des 27. UN-Klimagipfels (COP27) in Ägypten war der diplomatische Mindestarbeitsnachweis erbracht: Nach einigem Nachsitzen lag ein Abschlussdokument vor, das die seit vielen Jahren in der Rubrik »Loss and Damage« (Verluste und Schäden) verhandelte Einrichtung eines Fonds für die Bewältigung von klimakrisenbedingten Schäden in ärmeren Ländern vorsieht. Da die jetzt schon am stärksten von Klimafolgen betroffenen Länder meist am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben, wurde das Abkommen teils als erster Nord-Süd-Kompensationsmechanismus für solche Klimaschulden begrüßt. Insbesondere die EU schrieb sich zu, den Verhandlungsdurchbruch erwirkt zu haben.
Dass Betroffene jeden kleinen Fortschritt feiern, ist legitim – doch kein Grund für europäische Selbstbeweihräucherung. Bei näherem Hinsehen wird klar: Schon im Pariser Klimaabkommen wurde festgehalten, dass kein Staat für Klimaschäden haftbar zu machen ist. Reparationen werden von den USA besonders aggressiv abgelehnt, sind aber auch für die EU eine rote Linie. »Loss and Damage« ist demgegenüber schon als ernüchterte Anpassung zu verstehen. Oder gar als Absicherung dieser roten Linie.
Zu dieser westlichen Mauertaktik kommt noch die umstrittene Rolle Chinas, das zum Ärger des Westens im UN-Prozess an seiner alten Einordnung als transferbedürftiges »Entwicklungsland« festhält. Folgerichtig wurde die entscheidende Frage, wer nun wieviel zahlt und wer Geld erhalten kann, in Ägypten vertagt. Geschaffen wurde wieder einmal nur eine leere Hülle.
Schon bei früheren COPs wurde auf Freiwilligkeit im Nachhinein gesetzt. Die 2009 vereinbarten 100 Milliarden pro Jahr, die Industrieländer im »Green Climate Fund« für Klimaschutz und Anpassung im globalen Süden bereitstellen wollten, sind bis heute nicht erreicht. Das folgt den Regeln der Klimadiplomatie: Der Erfolg eines Gipfels bemisst sich nicht daran, wie viel er für Klimaschutz oder globale Gerechtigkeit bringt, sondern daran, ob am Ende irgendeine Erklärung vor den Kameras feierlich unterzeichnet wird.
Umso fragwürdiger werden diese Finanzdeals durch das Addieren ganz verschiedener Geldflüsse: Neben bescheidenen neuen staatlichen Transferzusagen werden gerne im großen Stil längst für Entwicklungszusammenarbeit zugesagte Mittel umetikettiert und mit rückzuzahlenden Darlehen wie mit privaten Krediten und Investitionen in einen Topf geworfen.
Doch genau wie in Deutschland kein Klimaschutzgesetz oder Gerichtsurteil imstande ist, die gesamte Wirtschaft umzukrempeln, gilt eben: Kein COP-Ergebnis kann in der Substanz besser sein als das, was die globalen Machtverhältnisse zulassen. Es gibt keine Oasen der zwischenstaatlichen Solidarität im knallharten ökonomischen Wettbewerb, höchstens Oasen des mehr oder weniger folgenlosen diplomatischen Austauschs. Klima-Unterhändler*innen können nicht im Vorbeigehen Jahrhunderte der Kolonialgeschichte samt aktueller geopolitischer Konflikte auflösen. Wer zu jeder COP zweckoptimistisch das Gegenteil suggeriert, verharmlost die globalen Verhältnisse.
Europäische Klimadiplomat*innen haben bislang weder ein Regierungsmandat für umfassende Reparationen, noch hätten sie dafür stabile demokratische Mehrheiten im Rücken. Für eine tatsächliche Begleichung von Klimaschulden müssten sich nicht nur zwischenstaatliche, sondern auch innenpolitische Kräfteverhältnisse massiv verschieben.
Nördliche Klimabewegungen könnten darauf hinwirken, dass ihre Regierungen den »Loss and Damage«-Fonds mit wirklich zusätzlichen Geldern füllen – und nicht zulassen, dass sie sogar neue Schulden für Länder des Südens als großzügige Gaben berechnen. Aktivist*innen im globalen Süden wissen derweil viel darüber zu erzählen, wie welche Mittel tatsächlich vor Ort ankommen. Wenn ihnen zugehört wird.
Lasse Thiele arbeitet im Konzeptwerk Neue Ökonomie am Thema Klimagerechtigkeit.
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