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Europa vor der Haustür

Stefan Kunath möchte erfahren, was in anderen linken Parteien Europas über Krieg und Frieden gedacht wird

Stefan Kunath
Stefan Kunath

Wenn man auf die Homepage von Stefan Kunath schaut, fällt das Thema Europa nicht gerade ins Auge. Klimaschutz und soziale Sicherheit sind dort als Schwerpunkte seines Engagements aufgelistet, bezahlbares Wohnen, Steuergerechtigkeit oder auch eine gerechte Vergütung für das Pflegepersonal in Kliniken und Heimen, ein genereller Systemwechsel im Gesundheitswesen.

Dabei hat der 33-Jährige Vorsitzende des Linke-Kreisverbandes Frankfurt (Oder) eine ganze Menge mit europäischen Fragen zu tun. Nicht erst, seit er im Herbst vom Bundesausschuss der Linkspartei zum Delegierten für den Kongress der Europäischen Linken in Wien gewählt wurde.* »Für mich war Europa ohne Grenzen immer der Normalzustand, natürlich auch dadurch, dass Frankfurt an der Oder liegt. Ich kann über die Stadtbrücke gehen und bin in einem anderen Land. Grenzüberschreitendes Zusammenarbeiten, Zusammenleben ist für uns Alltag«, erzählt er. In Frankfurt ist er geboren, dort hat er an der Viadrina Europawissenschaften im Master studiert, nach dem Bachelor in Politik, Verwaltung und Soziologie an der Universität Potsdam.

Seine Politisierung, wie er es nennt, fällt mit der Schulden- und Eurokrise vor gut zehn Jahren und später der Austeritätspolitik gegenüber Griechenland zusammen. Schon damals war er in der Linken aktiv. »Natürlich haben wir heiß darüber diskutiert, welches Europa wir uns vorstellen. Da hat sich so ein Grundinteresse an europäischen Fragen entwickelt, das mich bis heute begleitet.«

Forciert wurde dieses Interesse durch Putins Krieg gegen die Ukraine. »Wir haben hier in Frankfurt mit als erste gespürt, welche Folgen der Ukraine-Krieg hat. Viele Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind, sind zuerst bei uns angekommen. Wir haben auch viele Ukrainerinnen und Ukrainer, die an der Viadrina studieren, einige kenne ich persönlich.« Er möchte erfahren, wie in anderen linken Parteien Europas über den Krieg und das Verhältnis zu Russland gedacht wird, »auch wenn es in Wien sicher keine endgültigen Antworten darauf geben kann«. Eine europäische, linke Debatte über Krieg und Frieden – »das war einer der Hauptgründe dafür, dass ich mich als Delegierter für den EL-Kongress beworben habe«.

Dass »Europa« in seiner Partei zwar verbal immer wieder thematisiert wird, in der praktischen Politik aber kaum eine Rolle spielt, hält Kunath zwar für problematisch, aber auch für verständlich. »Ich glaube tatsächlich, dass Europa einfach immer noch sehr weit weg ist. Das merke ich selbst in der Kommunalpolitik in Frankfurt, auch wenn wir eine europäische Stadt sind und mit Slubice auf der anderen Seite der Oder praktisch zusammengewachsen sind. Aber für die sogenannten großen europapolitische Themen zu mobilisieren, ist schon sehr schwierig. Aber das ist in anderen Parteien ebenso, nicht nur in der Linken.« 

Einen Wunsch an seine Partei hat er allerdings: Wir müssen weg von, ich sage mal so, Glaubensbekenntnissen für oder gegen Europa. Sondern hin zum praktischen Leben der Menschen.« Ein Beispiel? »Nehmen wir die Macht der großen Digitalkonzerne, darunter kann man sich schon etwa vorstellen. Wir haben in Frankfurt unsere Innenstadt, wo die Läden sterben, jetzt noch verschärft durch Inflation und hohe Energiepreise. Gleichzeitig machen Amazon und Co. Riesenprofite und zahlen zudem kaum Steuern. Da braucht man einfach eine Regulierung auf europäischer Ebene. Und das ist vielleicht doch ein bisschen praktischer als ein Pro oder Kontra Europa.«

* Nachträgliche Anmerkung der Redaktion: Kunath wird wegen einer Erkrankung doch nicht am Kongress teilnehmen können.

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