Werbung

Selbstputsch des peruanischen Präsidenten scheitert

Pedro Castillo setzt sich mit undemokratischem Manöver schachmatt

Es ist ein Wortbruch, der mehr als nachvollziehbar ist: »Wenn der Präsident abgewählt wird, werde ich mit ihm gehen.« Mit diesen Worten leistete Dina Boluarte am 7. Dezember 2021 dem Präsidenten Pedro Castillo Beistand, als jener vor seinem ersten Amtsenthebungsverfahren stand, nur wenige Monate, nachdem er am 28. Juli die Staatsspitze übernommen hatte und mit dem großen Versprechen angetreten war: »Keine Armen mehr in einem reichen Land.« Aus Castillos Versprechen ist nichts geworden und Boluarte hat ihres nicht gehalten, nachdem Castillo das laufende dritte Amtsenthebungsverfahren durch die Flucht nach vorne beenden wollte. Er löste am Mittwoch den Kongress auf, setzte eine Notstandsregierung ein und wollte bis zu Neuwahlen per Dekret weiterregieren. Das ging allen voran Vizepräsidentin Dina Boluarte zu weit. »Ich lehne die Entscheidung von Pedro Castillo ab, durch die Auflösung des Kongresses den Zusammenbruch der verfassungsmäßigen Ordnung herbeizuführen. Das ist ein Staatsstreich, der die politische und institutionelle Krise verschärft, die die peruanische Gesellschaft unter strikter Einhaltung der Gesetze überwinden muss«, schrieb sie auf Twitter.

Mit großer Mehrheit enthob der Kongress den 53-Jährigen kurz nach dessen Ankündigung wegen »dauerhafter moralischer Ungeeignetheit« des Amtes. Gegen den Staatschef laufen eine ganze Reihe von Ermittlungsverfahren wegen Korruptions- und Plagiatsvorwürfen. 101 Parlamentarier stimmten schließlich für die Amtsenthebung, sechs dagegen und zehn enthielten sich. Das eindeutige Votum hat sich Castillo mit seiner Machtprobe wohl selbst zuzuschreiben. Noch am Morgen war unklar gewesen, ob die 87 Stimmen für den Misstrauensantrag überhaupt zusammenkommen.

Nach der Absetzung Castillos durch das Parlament wurde Boluarte als neue Präsidentin vereidigt. »Ich bin mir der enormen Verantwortung bewusst, die auf mich zukommt, und rufe zur Einheit aller Peruaner auf«, sagte die 60-jährige Juristin in ihrer Antrittsrede im Kongress. »Ich rufe zu einem breit angelegten Dialog zwischen allen politischen Kräften auf.« Boluarte ist die erste Staatschefin in der Geschichte des südamerikanischen Landes. Der Kongress, der als durch und durch korrupt gilt, ist laut Umfragen noch deutlich unbeliebter als Castillo. Doch mit seiner Kraftprobe ging der Staatschef offensichtlich zu weit.

Seine Nachfolgerin Dina Boluarte wurde Anfang 2022 aus der marxistisch-leninistischen Partei Perú Libre, für die Castillo angetreten war, ausgeschlossen, weil sie die Ansichten des Generalsekretärs, Vladimir Cerrón, nicht teilte. »Ich war schon immer eine Linke und werde es auch bleiben, aber eine demokratische und keine totalitäre Linke«, erklärte sie. Damals sagte sie, dass sie sich von Perú Libre distanzieren werde, aber nicht von Präsident Castillo, der seinerseits mit Cerrón längst über Kreuz lag. Boluarte blieb Ministerin für Entwicklung und soziale Eingliederung, bis sie vor etwas mehr als einer Woche zurücktrat, weil sie mit der Ernennung von Betsy Chávez, der kurzzeitigen Premierministerin des nun abgesetzten Präsidenten, nicht einverstanden war. Als amtierende Vizepräsidentin gelang ihr nun unverhofft der Sprung an die Staatsspitze.

Es ist das dritte Mal in den letzten vier Jahren, dass ein Präsident sein planmäßiges Ende nicht erreicht. Im März 2018 trat Pedro Pablo Kuczynski wegen Korruptionsvorwürfen von seinem Amt zurück und der erste Vizepräsident Martín Vizcarra übernahm das Amt. Zweieinhalb Jahre später, im November 2020, wurde Vizcarra jedoch entlassen. Der damalige Präsident des Kongresses, Francisco Sagasti, übernahm das Amt interimsweise bis zu den Neuwahlen. Der 2021 gewählte Castillo ist seit dem 7. Dezember Geschichte. Er wurde schließlich im Zentrum der Hauptstadt Lima festgesetzt. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm einen Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung des Landes vor. Gegen ihn werde wegen Rebellion ermittelt, teilte die Generalstaatsanwaltschaft mit.

Die USA verurteilten die Auflösung des Kongresses durch Castillo als Verfassungsbruch, Mexikos Regierung hingegen zeigte sich aufgeschlossen, dem abgesetzten Präsidenten Asyl zu gewähren. Castillo war auf dem Weg zur mexikanischen Botschaft festgenommen worden. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) stellte sich hinter die neue Präsidentin Boluarte. »Heute wurde in Peru in die verfassungsmäßige Ordnung eingegriffen. Ich versichere Dina Boluarte unsere Unterstützung für die Demokratie, den Frieden und die Institutionen in Peru und die dringende Notwendigkeit, den demokratischen Weg in diesem Land wiederherzustellen«, sagte OAS-Generalsekretär Luis Almagro.

Boluarte wird laut Artikel 115 der Verfassung bis zum Ende der Amtszeit von Castillo 2026 übernehmen. »Im Falle einer vorübergehenden oder dauerhaften Verhinderung des Präsidenten der Republik übernimmt der Erste Vizepräsident seine Aufgaben«. Der erste Vizepräsident ist mit Boluarte eine Präsidentin. Eine Mehrheit im Kongress hat sie so wenig hinter sich wie Castillo. Das Parlament ist von rechten und konservativen Kräften dominiert. Zuletzt verweigerte der Kongress Castillo die Erlaubnis, zum Gipfel der Pazifik-Allianz nach Mexiko zu reisen, und ließ das Treffen damit platzen. Mexikos Präsident Andrés Manuel López Obrador plädierte für eine Verlegung des Treffens nach Lima, damit Castillo teilnehmen könne. Diese Überlegungen haben sich nun erübrigt. Boluarte wird es schwer haben, die tiefe politische Krise des Landes beizulegen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -