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Bis zu 30 Gramm zum Eigenbedarf, aber strengste Regeln
Wie sieht die angestrebte Legalisierung von Cannabis in Deutschland aus?
Folgt man den Umfragen, so gibt es in der deutschen Bevölkerung eine große Mehrheit von 66 Prozent, die die Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken befürwortet. Die Zustimmung ist besonders bei den Jüngeren zwischen 18 und 39 Jahren mit 34 Prozent hoch. 56,4 Prozent der 18- bis 29-Jährigen und 46,9 Prozent der 30- bis 39-Jährigen bewerten die Entkriminalisierung positiv. Bei den 40- bis 49-Jährigen sind es 38,8 Prozent. Negativ beurteilen das Vorhaben die über 60-Jährigen mit 47,3 Prozent. Interessant: Im Osten wird die Freigabe grundsätzlich kritischer gesehen (45,1 Prozent) als im Westen (35,7 Prozent).
Ob die Legalisierung in Deutschland überhaupt umgesetzt werden kann, ist völlig offen und wird davon abhängen, ob sie einer europa- und völkerrechtlichen Prüfung standhält. Deshalb geht das Papier zunächst nach Brüssel. Ein konkretes Gesetz soll jedenfalls erst auf den Weg gebracht werden, wenn »grünes Licht« von der EU kommt. Dem Bundesgesundheitsminister zufolge verbieten es EU-Verträge eigentlich, Cannabis in Verkehr zu bringen. Nun will die Bundesregierung die EU davon überzeugen, dass mit einer Legalisierung und strengen Regulierung des Cannabismarktes dem Anliegen der EU-Verträge zum Gesundheits- sowie Kinder- und Jugendschutz besser Rechnung getragen werden kann. Mit dem Cannabisverbot habe Deutschland »keine vorzeigbaren Erfolge« erzielt, vielmehr sei der Konsum gestiegen.
Niederlande: Seit 1976 sind Besitz, Konsum und Verkauf bis zu 5 Gramm in "Coffee Shops" erlaubt, aber Anbau und Verkauf großen Stils verboten. Die Niederlande waren 2003 das erste EU-Land, das die medizinische Verwendung von Cannabis erlaubte.
Spanien: Der Anbau für den Eigenbedarf in privaten Räumen wird toleriert, Handel und Konsum in der Öffentlichkeit sind verboten.
Portugal: Konsum und Besitz von Drogen sind seit 2001 entkriminalisiert.
Luxemburg: Geplant ist, den Cannabis-Gebrauch zu legalisieren. Ein im Juni vorgelegtes Gesetz, das noch nicht in Kraft ist, erlaubt den Anbau von bis zu vier Cannabispflanzen zu Hause.
Malta: Seit Dezember sind der Besitz von bis zu 7 Gramm und der Anbau von bis zu vier Cannabispflanzen für ab 18-Jährige erlaubt. Ab 7 bis 28 Gramm droht eine Strafe von 100 Euro. Der Konsum in der Öffentlichkeit und von Minderjährigen ist verboten.
Uruguay: Als erstes Land der Welt wurde 2001 der Anbau zu Hause für den Eigenbedarf sowie für Vertrieb und Konsum legalisiert. Cannabis ist in Apotheken erhältlich.
Mexiko: Der oberste Gerichtshof gab im Juni 2021 den Freizeitgebrauch von Marihuana frei und lockerte im Mai 2022 die Kriterien für den Besitz auch anderer Drogen.
USA: Ein Bundesgesetz verbietet Anbau, Verkauf und Verwendung von Marihuana. Der Freizeitgebrauch wurde jedoch in 19 Bundesstaaten gestattet.
Kanada: Als zweites Land der Welt wurde im Oktober 2018 Cannabis für den Freizeitgebrauch freigegeben. Per Gesetz ist der persönliche Besitz auf 30 Gramm und vier Pflanzen pro Haushalt beschränkt. Die Provinzen können den Verkauf in zugelassenen staatlichen oder privaten Geschäften erlauben.
Südafrika: Das höchste Gericht erklärte 2018 ein Gesetz für verfassungswidrig, das Konsum und Abbau von Marihuana zu Hause verboten hatte. Agenturen/nd
Was steckt hinter Cannabis und dem Eckpunktepapier?
Cannabis und der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) sollen künftig rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft werden. Der Erwerb und der Besitz von bis zu 30 Gramm von »Genusscannabis« sollen straffrei, privater Eigenanbau in begrenztem Umfang erlaubt und ein Verkauf an Erwachsene in »lizenzierten Fachgeschäften« und möglicherweise auch Apotheken ermöglicht werden. Der Anbau der Pflanzen soll staatlich reguliert stattfinden. Das Eckpunktepapier sieht vor:
– Cannabis und der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) sollen künftig rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft werden.
– Der Erwerb und Besitz von maximal 20 bis 30 Gramm »Genusscannabis« zum Eigenkonsum sollen straffrei sein unabhängig vom konkreten THC-Gehalt. Auf eine THC-Grenze soll wegen zu großen Prüfaufwands bei möglicher Strafverfolgung verzichtet werden.
– Privater Eigenanbau wird in begrenztem Umfang von »drei weiblichen blühenden Pflanzen pro volljähriger Person« erlaubt, aber geschützt vor Kindern und Jugendlichen.
– Der Verkauf soll in »lizenzierten Fachgeschäften« erst ab 18 Jahren ermöglicht werden. Werbung für Cannabis-Produkte wird untersagt. Die Menge pro Kunde wird begrenzt. Einen Versandhandel soll es zunächst nicht geben. Der Handel ohne Lizenz bleibt strafbar.
– Wegen des erhöhten Risikos für cannabisbedingte Gehirnschädigungen in der Adoleszenz soll geprüft werden, ob es für unter 21-jährige Käufer eine THC-Obergrenze geben soll.
– Neben der Umsatzsteuer ist eine »Cannabissteuer« geplant, die sich nach dem THC-Gehalt richtet. Der Endverbraucherpreis soll dem Schwarzmarktpreis – derzeit ein Gramm 10 Euro – nahe kommen.
– Cannabis-Produkte zum Rauchen oder in Form von Kapseln, Sprays oder Tropfen sollen zugelassen werden, aber sogenannte Edibles, also Kekse oder Süßigkeiten mit Cannabis, nicht.
– Aufklärung, Prävention, Beratung und Behandlungsangebote sollen ausgebaut werden. In der Verpackungsbeilage soll es Aufklärung über die Risiken des Konsums sowie Hinweise auf Beratungs- und Behandlungsstellen geben.
– Ob ein Online- oder Versandhandel an Privatpersonen durch zugelassene Geschäfte erlaubt wird, soll im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung des Gesetzes geklärt werden.
– Wer ohne Lizenz Cannabis verkauft oder mehr besitzt als erlaubt, kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bestraft werden. Verurteilungen, die künftig nicht mehr strafbar sind, sollen aus dem Bundeszentralregister getilgt werden.
– Nach vier Jahren sollen die Regelungen bewertet und gegebenenfalls angepasst werden.
Verharmlost die Legalisierung den Drogenkonsum?
Die Oppositionsparteien im Bundestag kritisieren die Pläne, auch Ärztevertreter sind keine ausgesprochenen Befürworter, und das Bundeskriminalamt warnt vor einer Zunahme des Rauschgifthandels in Deutschland. Der hauptsächliche Einwand: Die Legalisierung sei eine »offene Verharmlosung des Drogenkonsums«. Vor allem jungen Menschen würde der Eindruck einer »harmlosen Droge« vermittelt. Der frühe Konsum habe jedoch erheblich negativen Einfluss auf das Wachstum und die Entwicklung des Gehirns.
Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, äußerte erhebliche Zweifel, »ob die geplante Legalisierung dazu nützt, die Drogenkriminalität einzudämmen und die Umstiege auf härtere Drogen zu verhindern«. Die Bundesärztekammer erhebt den Vorwurf: Die Bundesregierung bagatellisiere die gesundheitlichen Gefahren des Cannabis-Konsums und konterkariere die präventiven Bemühungen im Suchtbereich.
Vor allem die Kinder- und Jugendärzte drängen auf einen besseren Jugendschutz. Das menschliche Hirn sei bis zum 25. Lebensjahr noch nicht vollständig ausgereift, erklärt der Chef des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Thomas Fischbach. Regelmäßiger Cannabiskonsum verursache bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen irreparable Hirnschäden bis hin zu einer dauerhaften Einschränkung der intellektuellen Leistungsfähigkeit und der sozialen Kompetenz. Von daher müssen die Schutzmaßnahmen für unter 21-Jährige deutlich strenger sein. Fischbach mahnte auch eine Regelung an, um die Weitergabe von legal erworbenem Cannabis an Jugendliche unter 18 zu unterbinden. »Uns Kinder- und Jugendärzten wäre es lieber, wenn die Cannabis-Legalisierung nicht kommt«, appelliert er an die Politik. Der Bundesgesundheitsminister verteidigte seine Pläne mit dem Hinweis: 25 Prozent in der Altersgruppe der 18- bis 25-Jährigen hätten im letzten Jahr gekifft. Somit sei eine Legalisierung von Cannabis mit einer niedrigen THC-Dosierung der bessere Weg im Vergleich zu einem vollständig unkontrollierten Handel wie gegenwärtig.
Das Bundeskriminalamt (BKA) steht den Legalisierungsplänen deutlich warnend gegenüber und verweist darauf, dass der Drogenhandel und die organisierte Kriminalität in Deutschland mehr und mehr zunehmen. Die BKA-Vizepräsidentin Martina Link beruft sich auf alarmierende Zahlen: Von den 361 000 Rauschgiftdelikten im Jahr 2021 entfielen rund 56 000 auf den Drogenhandel, darunter fast 60 Prozent der Rauschgiftdelikte mit Cannabis. 1826 Menschen starben 2021 an den Folgen ihrer Drogensucht – 15,5 Prozent mehr als 2020.
Cannabis als medizinisches Mittel in über 30 Ländern
Noch ein Wort zu Cannabis als medizinisches Mittel, das immerhin in über 30 Ländern üblich ist und worauf die Befürworter in der Legalisierung-Debatte wiederholt Bezug nehmen. Der Einsatz von Cannabis ist bei »schwerwiegenden Erkrankungen« grundsätzlich seit März 2017 möglich, wenn dies nachweisbar zur Linderung chronischer Schmerzen führt. Voraussetzung für eine Verordnung ist laut Gesetz jedoch, dass es keine anderen alternativen Therapien gibt oder diese im konkreten Fall nicht angewendet werden können.
Genau hier liegt der juristische Streitpunkt, wie unlängst das Bundessozialgericht (Az. B 1 KR 21/21 R und weitere) in vier Fällen verdeutlichte und klarstellte: Die Verordnung von Cannabis auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung hängt maßgeblich davon ab, ob sich die Krankheit »deutlich von durchschnittlichen Erkrankungen« abhebe und ob die Cannabis-Behandlung alternativlos sei. In den drei abgewiesenen Klagen konnten die Ärzte andere Therapiemöglichkeiten nur unzureichend belegen. Lediglich der Fall eines ADHS-Kranken wurde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen in Celle zurück verwiesen.
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