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Wie viel Gewaltdarstellung ist nötig?

Das US-Drama »Emancipation« will ein kritisches Narrativ zur Sklaverei liefern, scheitert aber an seinem Anspruch

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 4 Min.
In »Emancipation« wird Will Smith als unbeugsamer, widerständiger, nie den Blick senkender und nicht zu brechender Held inszeniert.
In »Emancipation« wird Will Smith als unbeugsamer, widerständiger, nie den Blick senkender und nicht zu brechender Held inszeniert.

Seinem ambitionierten Titel »Emancipation« wird der neue Film mit Will Smith in der Hauptrolle leider nicht ganz gerecht. Das gut zweistündige Drama über einen während des US-amerikanischen Bürgerkriegs geflohenen versklavten Menschen erzählt zwar bildgewaltig und anklagend von der Grausamkeit und der Gewalt der Sklaverei, eine emanzipatorische Perspektive entwickelt der Film dabei aber nicht wirklich.

Will Smith, der zuletzt vor allem wegen seiner Ohrfeige für Chris Rock während der Oscar-Verleihung 2022 in den Schlagzeilen war, verkörpert in dem Film einen Mann namens Peter, dem die historische Figur von Gordon zugrunde liegt, einem Schwarzen, der 1863 in Louisiana von einer Plantage tagelang durch unwegsames Sumpfland floh und sich den Unions-Truppen im Kampf gegen die Südstaaten anschloss. Das unmittelbar nach seiner Flucht im Unions-Lager aufgenommene Foto seines von Peitschenhieben entstellten und vernarbten Rückens wurde kurze Zeit später in der Zeitschrift »Harper’s Weekly« veröffentlicht und ging als ikonografisches Bild der abolitionistischen Bewegung, das die Brutalität und Grausamkeit der Sklaverei im Süden der Vereinigten Staaten dokumentierte, um die ganze Welt.

Regisseur Antoine Fuqua, der bisher vor allem actionlastige Blockbuster drehte, in denen nicht gerade mit Gewaltszenen gegeizt wird, unter anderem »The Equalizer« und das patriotische Spektakel »Olympus has fallen«, inszeniert diese filmische Anklage gegen die Sklaverei als brutales Action-Drama, das wegen seiner expliziten Gewaltdarstellungen gegen Schwarze Menschen viele Zuschauer verstören dürfte. Da werden Menschen geprügelt, misshandelt, schwer verletzt und erniedrigt, Leichen werden herumgehievt, Hunde fallen über auf dem Boden liegende Personen her, um sich an ihren Gliedmaßen festzubeißen, und in einem fort werden Menschen erschossen.

Über die Darstellung der Gewalt gegen Schwarze Menschen im Film wird im Zuge einer historischen Aufarbeitung des Rassismus in den USA seit einigen Jahren heftig diskutiert. Viele verwahren sich gegen den sogenannten Black Trauma Porn. Wie viel Gewaltdarstellung in Filmen ist nötig, um aufzuklären? Und wie sehr wird hier einfach nur Gewalt reproduziert, um gewinnträchtig Quote zu machen? Vor allem das Thema Sklaverei wird in Filmen und Serien wie »12 Years a Slave« oder in Barry Jenkins’ opulenter Adaption von Colson Whiteheads Roman »Underground Railroad« mit zum Teil unglaublicher Brutalität inszeniert. »Emancipation« übertrifft all diese Werke in seiner ungebremsten Darstellung von Gewalt bei Weitem.

Trotzdem ist dieser Film insofern auch wichtig, als er den gängigen Szenen des US-amerikanischen Bürgerkriegs und der Plantagenwirtschaft im Süden der Vereinigten Staaten eine drastische Erzählung aus Sicht der in der Sklaverei lebenden, sterbenden und ihr entfliehenden Menschen entgegenhält. Die weißen Menschen in diesem Film verhalten sich allesamt zutiefst rassistisch. Nicht nur der dem fliehenden Peter hinterherjagende Fassel (Ben Foster) ist ein widerlicher, sadistischer Rassist, der dann irgendwann am Lagerfeuer vor sich hin philosophierend seine gewaltbasierte Gedankenwelt ausbreitet.

Auch ein im ersten Moment niedliches kleines Mädchen, das vom Mittagstisch aufspringt und mit dem Finger auf den über die Farm rennenden schwer verletzten Peter zeigt und laut schreit: »Ein Entflohener«, ist Teil dieses menschenverachtenden mörderischen Gewaltregimes. Und auch nicht wirklich besser ist der arrogante Unionssoldat, der Peter nach seiner geglückten Flucht erklärt, er habe jetzt gemäß gesetzlicher Bestimmungen den Status einer »Schmuggelware« (Contraband), und der ihn außerdem dazu zwingt, in der Armee zu kämpfen, wo Peter kurz darauf mit Hunderten anderen Schwarzen Männern in vorderster Front in eine ausweglos erscheinende Schlacht geschickt wird, bei der Unzählige sterben.

In »Emancipation« wird Will Smith als unbeugsamer, widerständiger, nie den Blick senkender und nicht zu brechender Held inszeniert, der am Ende unter einer im Pulverdampf der Kanonen wehenden amerikanischen Fahne in die Schlacht zieht und seiner Truppe zum Sieg verhilft. Zwischendurch kämpft Peter sogar mit einem Alligator, was aber eher bizarr wirkt und noch einmal den spektakulären Actioncharakter dieses Films unterstreicht, der neben viel Gewalt auch mit jeder Menge elegischer Landschaftsbilder aufwartet, größtenteils schwarz-weiß gehalten ist, aber auch immer wieder vor allem Blut und Feuer in Farbe zeigt.

»Emancipation« bleibt immer einer etwas zu platten spektakulären Erzählung verhaftet, die in erster Linie schockieren will. Dabei reißt der Film durchaus interessante Themen an, etwa welche Rolle Religion und christlicher Glaube für das System der Sklaverei spielten und mit welch brutaler Rücksichtslosigkeit familiäre Strukturen zerstört wurden. Doch das bleibt letztlich an der Oberfläche und ordnet sich der dramatischen Actionhandlung unter. Schade, denn natürlich zeigt dieser aufwühlende Film eine wichtige Geschichte, die es wert ist, erzählt zu werden, auch wenn er nicht ganz überzeugen und seinem Anspruch gerecht werden kann.

»Emancipation«, USA 2022. Regie: Antoine Fuqua; Buch: William N. Collage. Mit: Will Smith, Ben Foster, Charmaine Bingwa, Gilbert Owuor. 132 Min. Auf Apple TV.

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