Am unteren Ende der Wertschöpfungskette

Afrikas Wirtschaft wird sowohl von den USA als auch von China hauptsächlich als Rohstofflieferant benutzt

Südafrikas Industrieminister Ebrahim Patel brachte es beim Besuch des deutschen Wirtschaftsministers Robert Habeck auf den Punkt: Er forderte eine »grüne Industrialisierung« des Kontinents. Afrika, begehrter Lieferant von Rohstoffen unter anderem für Batterien, will selbst in die Zellfertigung einsteigen können – und schließlich in die Fertigung von Elektroautos. »Wir müssen verhindern, dass Afrika beim grünen Umbau der Wirtschaft zurückgelassen wird«, warnte Patel.

Was Patel für den grünen Umbau der Wirtschaft verhindern will, ist das Muster aus den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten. Afrika wird seit der Kolonialzeit in seiner Rolle als Rohstofflieferant festgeschrieben. Laut des Africa Business Guide verfügt der Kontinent über 40 Prozent des weltweiten Goldes und bis zu 90 Prozent der Bestände von Chrom und Platin. Auch zwölf Prozent der globalen Ölvorräte liegen dort sowie sieben Prozent des Erdgases. Dieses Muster zeigt sich auch im Handel mit den USA: Während afrikanische Länder vor allem Bodenschätze verkaufen – allein der Rohöl-Export macht bereits ein Drittel der Gesamtexporte in die USA aus –, werden diverse verarbeitete Produkte aus den USA eingeführt. Insgesamt ist der Handel zwischen den afrikanischen Staaten und den USA von 2016 bis 2021 stark zurückgegangen, während der mit China zugelegt hat. Das Handelsvolumen zwischen afrikanischen Ländern und China lag zuletzt mit rund 200 Milliarden Dollar fast viermal so hoch wie jenes mit den USA. Afrikas größter Handelspartner sind aber traditionell die EU-Staaten, die zusammen China mit rund 230 Milliarden Dollar übertreffen.

Spielraum zum Entwickeln eigener Wertschöpfungsketten wird dagegen von den Industrieländern kaum gewährt. Da nehmen sich die USA, die EU und China nicht viel. Das Interesse an Afrikas Rohstoffen ist groß, das Interesse, dort Wertschöpfungsketten zu entwickeln, gering. Der Begriff Wertschöpfungskette beschreibt die Stufen vom Ausgangsmaterial bis zum Endprodukt, wobei generell die Wertschöpfung mit dem Verarbeitungsgrad steigt. Für verarbeitete Produkte sind am Markt höhere Preise zu erzielen, ob für Schokolade statt Kakaobohnen oder für Textilien statt Baumwolle, Benzin statt Rohöl.

Dass die Entwicklung von Wertschöpfungsketten gelingen kann, zeigt ansatzweise das Beispiel Ghana. Dort hat die Regierung in den vergangenen zehn Jahren eine Industriepolitik vorangetrieben, die erste Erfolge zeigt. Seit der Kolonialzeit ist Ghana auf den Export von Rohstoffen angewiesen, insbesondere von Gold und Kakaobohnen. Seit Ende 2010 wird auch Öl gefördert, nachdem 2007 die britisch-irische Firma Tullow Oil und das US-Unternehmen Kosmos Energy 60 Kilometer vor der westlichen Küste Ghanas ein neues Öl- und Gasvorkommen mit geschätzt 500 bis 1000 Millionen Barrel förderbarem Öl entdeckt hatten. Öl ist inzwischen drittwichtigstes Exportgut.

Ein Beispiel für eine im Ansatz gelungene Industrialisierung ist der Kakaosektor. Laut der Trade Map des Internationalen Handelszentrums ITC stiegen beispielsweise die Exporte von Kakaopaste – der ersten Stufe der Kakaobohnenverarbeitung – von nur 15 Millionen US-Dollar im Jahr 2011 auf 500 Millionen US-Dollar im Jahr 2021. Kakaopaste wurde so zu Ghanas viertgrößtem Warenexportartikel, der Anteil bleibt aber mit 3,3 Prozent am Gesamtexport bescheiden. Auch die Kakaobutter, die zweite Stufe der Kakaobohnenverarbeitung, stieg von 0,4 Prozent auf 2,3 Prozent der Warenausfuhren. Die Ausfuhren von Kakaopulver, der dritten Verarbeitungsstufe, sind ebenfalls gestiegen – von nur 500 000 Dollar im Jahr 2011 auf 130 Millionen Dollar im Jahr 2021. Fortschritte ausgehend von einem niedrigen Niveau.

Das große Potenzial Afrikas für eine nachholende Entwicklung liegt vor allem in der Landwirtschaft. Die Mehrheit der afrikanischen Bevölkerung lebt aktuell noch auf dem Land. Obwohl die Modernisierung der Landwirtschaft hinterherhinkt, gibt es schon jetzt die besten Aussichten auf Jobs vor allem in der modernen Landwirtschaft und der Agroindustrie, die die urbanen Zentren mit Nahrungsmitteln bedient. Hier finden auch Jobsuchende einen Arbeitsplatz, die nicht so gut ausgebildet sind – wie die meisten jungen Arbeitskräfte. Rund 20 Millionen junge Menschen insgesamt drängen jedes Jahr in den 55 afrikanischen Ländern auf den Arbeitsmarkt, nur ein Bruchteil kann bisher absorbiert werden. Das gilt für Akademiker*innen wie für Schulabbrecher.

Das Potenzial der 100 Millionen Kleinbauernfamilien, die maximal zwei Hektar bewirtschaften, wird noch nicht annähernd ausgeschöpft. Das gilt für die Regierungen Afrikas und die Regierungen des Nordens, wobei letztere in ihrem Handel die Marktasymmetrien zu Ungunsten der Kleinbauern befördern, statt sie zu beseitigen und den Kleinbauern faire Chancen einzuräumen. Gefördert wird nur das exportorientierte Agrobusiness.

Der von den USA im Jahr 2000 verabschiedete »African Growth and Opportunity Act« (Agoa), der den afrikanischen Ländern den zollfreien Export bestimmter Güter gestattet, läuft 2025 aus und hat bisher vor allem die Textilindustrie gefördert. Er wird aber auch immer wieder von den USA als handelspolitische Waffe eingesetzt. So 2018 gegen Ruanda, als das Land seine Importzölle erhöhte, um die eigene Textilindustrie vor Second-Hand-Kleidungsimporten zu schützen. Oder 2022 gegen Äthiopien, Mali und Guinea wegen Menschenrechtsverletzungen und Putschen. China bleibt politisch neutral, schafft aber durch Kredite Einfluss und Abhängigkeiten. Eine Partnerschaft auf Augenhöhe streben ernsthaft bisher weder die USA, noch China oder die EU an.

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