Nichts wird gut

Vor 40 Jahren erschien »The Message« von Grandmaster Flash and the Furiuos Five

  • Frank Jöricke
  • Lesedauer: 4 Min.
Das war kein Party-Shit und Grandmaster Flash and the Furiuos Five waren keine Casting-Band
Das war kein Party-Shit und Grandmaster Flash and the Furiuos Five waren keine Casting-Band

Der Vater des Hip-Hop ist eine Mutter. Eine leibhaftige. Daher beginnt die Erfolgsgeschichte des Hip-Hop auch auf einem Kindergeburtstag. Unter den anwesenden Müttern ist eine gewisse Sylvia Robinson. Keine Unbekannte. Als Produzentin, Sängerin und Mitinhaberin der Plattenfirma »All Platinum Records« in New Jersey kann sie zahlreiche Hits vorweisen. Doch Ende der 70er kränkelt das Label. Ein Erfolg muss her – dringend! Und hier, auf dem Kindergeburtstag, hat sie ein Erweckungserlebnis:

»Jemand legte Musik auf, rappte dazu und die Kinder gingen ab wie Schmidts Katze. Auf einmal sagte meine innere Stimme: ›Nimm so was auf Platte auf, und es wird eine gigantische Sache.‹ Ich wusste damals nicht mal, dass man das Rap nennt.« Bald darauf gründet sie ein neues Plattenlabel: »Sugar Hill Records«. Die Suche nach Interpreten gestaltet sich zunächst schwierig. Zwar gibt es viele, die auf der Straße zur Beatbox, einem tragbaren Kassettenrekorder, rappen und breakdancen. Doch keiner der Live-Akteure glaubt daran, dass so etwas auf Platte funktioniert. Sylvia Robinson schon. In einer Pizzeria hört sie einen der Angestellten rappen. Zu einer Art Vorsingen bittet sie ihn vor die Tür – so wird das erste Mitglied der Sugarhill Gang gefunden. Am Ende reicht es für ein Trio. Die sprechen in »Rapper’s delight«, das 1979 erscheint, die legendären Eingangszeilen »I said a hip hop, the hippie, the hippie, to the hip, hip hop«. Damit hat das neue Genre auch gleich seinen Namen weg: Hip-Hop.

Sylvia Robinson ist Geschäftsfrau genug, um dessen politisches Potenzial zu erkennen. Zwar wohnt sie selber in Manhattans wohlhabendem Schwarzenviertel Sugar Hill, doch sind ihr die Probleme der Ghettobewohner nicht fremd. Der ganzen Stadt ging es in den 70er Jahren nicht gut: Hohe Arbeitslosigkeit und wenig Geld, New York stand vor dem Konkurs. Die Infrastruktur erodierte, wer es sich leisten konnte, zog weg. Legendär ist der Stromausfall vom 13. Juli 1977, als in der Stadt für 24 Stunden nichts mehr geht – ein Symbol der Dystopie.

Sylvia Robinson nimmt 1980 Grandmaster Flash and the Furious Five unter Vertrag. Im Gegensatz zur Sugarhill Gang ist das keine Casting-Band, sondern es sind junge Männer, die einiges an Erfahrung mitbringen – nicht nur auf der Bühne, sondern auch auf der Straße. Ihr Viertel, die South Bronx, ist berüchtigt. Armut und Verfall sind allgegenwärtig. Drogendealer gilt hier als ernsthafte Karriereoption.

Mit ihren ersten Singles – »Freedom«, »The Birthday Party« und »The Adventures of Grandmaster Flash on the Wheels of Steel« – erzielen sie Achtungserfolge. Es ist gut gelaunte Partymusik, die ein wenig wie Kool & The Gang mit Sprechgesang und Samples klingt. Doch etwas Entscheidendes fehlt, um aus der Masse herauszuragen: eine Botschaft. Da kommt »The Message« wie gerufen. Die Single erscheint im Mai 1982, das Album im Herbst desselben Jahres. Es lebt von diesem einen Lied, das mit seinem Refrain beginnt: »It’s like a jungle sometimes, it makes me wonder, how I keep from going under« (Es ist manchmal wie ein Dschungel, ich frage mich, wie ich es schaffe, nicht unterzugehen).

Ed Duke ›Bootee‹ Fletcher, ein festangestellter Songwriter bei Sugar Hill Records, hat den Text geschrieben. Labelchefin Sylvia Robinson ist begeistert, Grandmaster Flash weniger. Sein Urteil ist vernichtend: »Das Thema machte keine gute Laune. Es war kein Party-Shit. Es war nicht mal echter Straßen-Shit. Wir mussten drüber lachen.« In der Tat ist der Text, nun ja, sozialdemokratisch. Er prangert die sozialen Missstände im Ghetto an. Zuhälter, Schläger und Junkies an der Straßenecke, verwahrloste Häuser, chronischer Geldmangel, schlechte Bildung, kiffende Schüler, zweistellige Inflation, und der Weg zur Arbeit ist nicht möglich, weil das Auto gepfändet wurde und die U-Bahn streikt. Da die Gruppe – mit Ausnahme von Melle Mel – sich weigert, den Titel aufzunehmen, übernimmt eben jener den Part des Rappers und fügt noch einige Zeilen hinzu.

Das Paradoxe daran: Trotz der düsteren Beschreibung des Ghettolebens und der aggressiven klanglichen Untermalung vermittelt der Song – wie auch die übrigen Stücke des gleichnamigen Albums – eine positive Grundstimmung. Es ist, als ob jener Zukunftsglaube, der so typisch war für das magische Popjahr 1982, auch »The Message« infiziert hat. So wird unterschwellig die Botschaft transportiert: »Lasst uns die Missstände beseitigen, dann wird alles gut!«

Und dann begann in New York der Neoliberalismus, vor allem an der Börse. Bereits fünf Jahre später war der Glaube an soziale Reformen erloschen. Stattdessen rief eine andere Hip-Hop-Formation aus New York die afroamerikanische Revolution aus. Ihr Name ließ keinen Zweifel daran, dass sie an friedliche Lösungen nicht mehr glaubte: Public Enemy.

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