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Rekrutierung fürs Militär in der Schule
US-Verteidigungsministerium finanziert Wehrkundekurse an High Schools und will dies noch ausweiten
Das US-amerikanische Verteidigungsministerium erwägt die Erweiterung eines erfolgreichen Rekrutierungsprogramms. Bisher gibt die Armee 400 Millionen Dollar im Jahr für »Junior Reserve Officers’ Training Corps« (JROTC) in rund 3500 Schulen in den USA aus. Schüler werden in Wehrkunde unterrichtet, erhalten sportliches Training sowie politische und historische Bildung. Laut »New York Times« schätzt die Armee, dass 44 Prozent der Rekruten solche Kurse in High Schools besucht haben. Eine Erweiterung dieses Programms wird jetzt erwogen, weil das Pentagon die Zahl der Soldaten in Europa und in Afrika zurzeit aufstockt.
In manchen Schulbezirken wurde Wehrkundeunterricht als Pflichtfach eingeführt. Schüler werden oft automatisch eingeschrieben oder man hindert sie am Abbruch. Diese Bezirke liegen oft in ärmeren Vierteln, wo viele afroamerikanische oder Latino-Schüler leben. Die Schulrektoren in Städten wie Detroit, Los Angeles und Philadelphia nehmen die für sie kostenlosen, vom Pentagon finanzierten Kursangebote und Lehrkräfte gerne an und schonen so ihre knappen Budgets.
In den USA werden die Schulen überwiegend aus lokalen Steuern finanziert: Reiche Städte und Vororte sind üppig ausgestattet, ärmere dagegen nicht. In dieser Situation haben immer mehr Schulrektoren die verpflichtende Teilnahme an der Wehrkunde eingeführt, um die Finanzierung durch das Pentagon zu sichern. Einige Schulbeamte stehen auch ideologisch dahinter: Sie halten die Armeevorbildung für ein Mittel zur Prävention gegen den Einfluss von Gangs und Kriminellen. Doch kritische Eltern finden, dass die Jugendlichen indoktriniert und zur Armeekarriere verleitet werden. In Chicago habe man auf Drängen von Aktivisten wie Jesus Palafox die obligatorischen Kurse in den Armenvierteln im Süden und Westen der Stadt aufgegeben, berichtet die »New York Times«. Kein Chicagoer Schüler muss mehr zwingend teilnehmen; Palafox kritisierte diesen Unterricht als »Gehirnwäsche«.
Das Pentagon berichtet von vielfältigen Problemen bei der Rekrutierung neuer Soldaten. Körperliche Unzulänglichkeiten und auch eine zunehmend kritische Popkultur, die den Armeedienst als schädlich für die mentale Gesundheit betrachte, seien schuld. Ironischerweise sind auch die besseren Karrierechancen in einer immer multikulturelleren Gesellschaft für das Pentagon eher ungünstig. Eine Armeekarriere ist nicht mehr – wie früher – der beste Weg in die Mittelschicht. Kritiker finden es unzulässig, dass das US-Verteidigungsministerium auf diese Weise Jugendliche ködert. Das Pentagon selbst distanziert sich vom mancherorts obligatorischen Unterricht: Die US-Armee sei eine Freiwilligenarmee.
Die Wehrkundeschüler tragen Kadettenuniformen, trainieren Korpsgeist und rufen zusammen Parolen wie »Ich bin die Zukunft der Vereinigten Staaten von Amerika«. Befürworter des Programms weisen auf verbesserte Disziplin und stärkere Motivation bei den Teilnehmern hin, Kritiker bemängeln dagegen die geistige Prägung: Schulbücher in öffentlichen Schulen werden von Lehrern, Eltern und Schulbehörden pädagogisch und politisch geprüft, die Armee umgeht solche Instanzen. Die Palette der Wehrkunde ist breit: private Buchhaltung, Finanzplanung, Ernährung, auch Rhetorikkurse, Vorbereitung auf das Studium und das Leben in der Armee. Besonders kritisiert werden die Schönfärberei über den Eintritt der USA in den Vietnam-Krieg und die folgende Niederlage sowie die Rolle der Armee bei der Vertreibung und Ausrottung der Ureinwohner im 19. Jahrhundert.
So werden Schüler, deren Bildung nur unzulänglich von der nationalen Gemeinschaft finanziell getragen wird, zum Futter für den Rekrutierungsbedarf des Pentagons. Umstritten wurden solche Programme in den 70er Jahren wegen des Vietnam-Krieges. Danach konzentrierte das Pentagon die JROTC-Kurse stark in den Südstaaten, von wo die Rekruten der US-Armee traditionell stammten. Dort ist die Armee in den ländlichen Gemeinden verwurzelt. Dennoch nehmen laut »New York Times« nur rund acht Prozent der Schüler in den Südstaaten freiwillig am Kadetten-Programm teil. Der Unwille von Eltern in Chicago und Detroit ist Beleg dafür, dass die Armee in diesen Städten nicht denselben Rückhalt hat. Sie versteht sich jedoch als fortschrittliche, sozial und ethnisch integrierende Institution. Das Programm ist bereits dreimal so groß wie während des Vietnam-Kriegs.
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