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Showdown am Latschin-Korridor
Aserbaidschan blockiert seit Tagen die einzige Verbindung zwischen Bergkarabach und Armenien
Sie gingen nicht weg, bis der Latschin-Korridor nicht wieder offen sei, skandieren Studenten der Jerewaner Universität vor der russischen Botschaft in der armenischen Hauptstadt. Sie fordern von der Schutzmacht, endlich zu handeln und die einzige Verbindung zwischen Armenien und der international nicht anerkannten Republik Bergkarabach (Arzach) wieder befahrbar zu machen. Auch vor den Vertretungen der USA, Chinas, Frankreichs, Großbritanniens und der Europäischen Union sind am Donnerstag Demonstrationen geplant. Die Menschen in Jerewan wollen internationale Aufmerksamkeit für die humanitäre Katastrophe, die sich ihrer Meinung nach in Bergkarabach anbahnt.
Die aktuelle Zuspitzung des Dauerkonflikts zwischen den verfeindeten Nachbarstaaten begann Anfang Dezember, als vermeintliche Umweltaktivisten aus Aserbaidschan mehrere Lagerstätten begutachten wollten, in denen Bergkarabach Gold und Kupfer abbaut. Baku beharrt darauf, dass Arzach illegal handelt und alle Rohstoffe ausschließlich von Aserbaidschan ausgebeutet werden dürfen. Nachdem die Regierung in Stepanakert die angeblichen Aktivisten nicht zu den Lagerstätten gelassen hatte, blockierten sie als Antwort den Latschin-Korridor, gaben die Straße jedoch schnell wieder frei.
Baku schickt vermeintliche Umweltaktivisten
Am 12. Dezember kehrten die vermeintlichen Aktivisten zurück und errichteten eine Zeltstadt. Bergkarabach mit seinen 120 000 Einwohnern ist seitdem von der Außenwelt abgeschnitten. Bei Minusgraden stauen sich Hunderte Autos, die nicht nach Bergkarabach können, auch Lebensmittel und Medikamente kommen nicht mehr durch. Seit Tagen fließt zudem kein Gas mehr aus Armenien nach Aserbaidschan. Baku, über dessen Territorium die Pipeline verläuft, beschuldigte zunächst Jerewan, nicht mehr zu liefern und sprach kurz darauf davon, dass die Leitung »wegen des kalten Wetters« außer Betrieb sei und die Reparaturen liefen. Nach vier Tagen Blockade ist der Mangel in Arzach bereits spürbar. Laut Staatsminister Ruben Wardanjan werden nur noch Schulen offen gehalten, die mit Holz geheizt werden. Armenien und Arzach sprechen bereits von einer humanitären Katastrophe, die im Südkaukasus bevorstehe. In Stepanakert laufen bereits Vorbereitungen für den Kriegszustand.
Armenische Nationalisten werfen Aserbaidschan vor, einen Genozid zu planen. Die angeblichen Umweltaktivisten seien in Wahrheit bezahlte Provokateure aus Baku, die in Bussen in den Latschin-Korridor gebracht würden. Mit Verweis auf eine Quelle aus Aserbaidschan bestätigt die Journalistin Lindsey Snell auf Twitter die Vorwürfe: Die Protestierenden seien alle Staatsangestellte und die vermeintlichen NGOs staatlich finanziert. Bilder, die Aktivisten beim sogenannten »Wolfsgruß« der rechtsextremen Grauen Wölfe zeigten, legten zudem den Verdacht nahe, dass die Türkei Aserbaidschan unterstütze.
Mit Rückendeckung aus Ankara könnte Baku versuchen, die Eröffnung des Sangesur-Korridors zu erpressen, glauben Beobachter. Der soll das aserbaidschanische Kernland mit der Exklave Nachitschewan verbinden und würde Armenien vom südlichen Nachbarn Iran abschneiden, zu dem es gute Beziehungen pflegt. Am Mittwoch hatte der aserbaidschanische Diktator Ilham Alijew bei einem Treffen mit seinen Amtskollegen Recep Tayyip Erdoğan und Serdar Berdimuhamedow aus Turkmenistan davon gesprochen, den Sangesur-Korridor 2024 eröffnen zu wollen.
Moskau in der Klemme
Mittlerweile haben mehrere Staaten und die Europäische Union Baku dazu aufgerufen, die Blockade aufzulösen. Auf eine Reaktion aus Moskau wartete man in Jerewan zunächst vergebens. Bei einer Sondersitzung des armenischen Parlaments am Mittwoch drohte der Parlamentssprecher Alen Simonjan, Russland müsse reagieren, sonst sehe man sich gezwungen, »andere Varianten der Sicherheitsgarantie für Bergkarabach als Alternative zur russischen Friedensmission in Betracht zu ziehen«. Er brachte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ins Spiel.
Am Donnerstag schließlich drückte die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, schließlich die Besorgnis ihres Hauses aus und rief zur Deeskalation auf. Baku gehe wohl davon aus, Russland sei durch die Ukraine zu abgelenkt und werde dadurch seine Rolle im Südkaukasus einbüßen, meinte Konstantin Satulin, erster stellvertretender Vorsitzender des Komitees für Fragen der GUS, der europäischen Integration und Verbindung zu Landsleuten der russischen Staatsduma. »In Aserbaidschan hat man wohl zu früh geglaubt, die Gelegenheit beim Schopf packen zu können«, warnte er die Regierung Alijew auf Telegram. Sacharowa und Satulin verurteilten die aserbaidschanischen Provokationen gegen die Soldaten der Friedensmission, für die die Situation besonders heikel ist. Denn während Baku mit türkischen Soldaten im Südkaukasus liebäugelt und Jerewan mehr Einsatz für seine Ziele verlangt, hofft Moskau auf die Verlängerung des Mandats seiner Friedensmission.
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