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  • Deutsche Wohnen & Co enteignen

Die Kommission hat gesprochen

Zwischenbericht zu »Deutsche Wohnen & Co enteignen« zeigt Mehrheitsverhältnisse im Gremium - Gastbeitrag von Moheb Shafaqyar

  • Moheb Shafaqyar
  • Lesedauer: 4 Min.

Interessen stehen sich oft unversöhnlich gegenüber. Doch Polarisierung und Konfrontation entsprechen nicht der Neigung der politischen Klasse nach dem möglichst gemütlichsten und risikoärmsten Politikstil. Gerade die überlange Zeit der Großen Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Politik und den politischen Wettstreit zu einer Suche nach sachorientierten Problemlösungen verklärt.

Die Berliner landespolitische Version dieser Politikvermeidung hat spätestens seit dem Mietendeckel eine regionale Besonderheit. Die Entpolitisierung des Politischen erfordert in diesem urbanen Raum, der im Vergleich zum Bund eher links geprägt ist und in dem mit der Partei Die Linke ein Akteur links der Sozialdemokratie mitregiert, einen höheren Aufwand. Die Entpolitisierung wird durch die Verschiebung in das Feld des Juridischen betrieben. Hier sind die Grenzen gesetzt und scheinen unverhandelbar.

Gründung einer Kommission

Die Gründung der Vergesellschaftungskommission ist vor diesem Hintergrund ein bezeichnendes Phänomen. Eine Million Menschen gaben im September vergangenen Jahres ein klares Votum dafür ab, die Vergesellschaftung von Wohnungsbeständen großer Unternehmen vorzunehmen. Um diesem Votum zu entfliehen – um nicht zu sagen, es zu unterminieren, wenn es nach einigen Vertretern im Senat geht –, setzte der Senat Ende März jene Kommission ein. Es ist hier die Politik selbst, die eine alte deutsche Sehnsucht nach Überparteilichkeit abruft, nach Institutionen, die über den Parteien stehen. Die allgemeine Beliebtheit des Bundesverfassungsgerichts ist Ausdruck dieser Sehnsucht, einer Sehnsucht nach konfliktfreien Formen von politischen Entscheidungen.

Diese beliebte juristische Institution greift in der Regel am Ende eines Gesetzgebungsprojektes ein. Aber warum dann nicht diese wunderbare Institution und ihre Beliebtheit schon im Vorhinein eines potenziellen Gesetzgebungsprojektes abrufen und eine Kommission aus zehn Verfassungsrechtsprofessor*innen gründen, die in ihrer Zusammensetzung einem Verfassungsgericht ähnlicher kaum sein könnte?

Der Zwischenstand

Die Kommission hat letzte Woche nun ihren Zwischenbericht vorgelegt. Phänomenale Erkenntnisse sind bislang nicht vernehmbar. Das beschlossene Arbeitsprogramm sei in seiner Gestalt an eine verfassungsrechtliche Prüfung angelehnt (na klar). Bemerkenswert ist die terminologische Vielfalt zur Verdeutlichung der Mehrheitsverhältnisse, die die bereits vorher absehbare Ausrichtung der Mitglieder bestätigt.

Neu ist, dass sich nun abzuzeichnen scheint, in welche Richtung das Pendel bei den wenigen bisher nicht einzuordnenden Mitgliedern ausgeschlägt. Bei jenen Juristen, die ihre wissenschaftliche Reputation nicht zuletzt dem Ruf eines unabhängigen Einzelgänger-Daseins verdanken. Hier scheint eine Mehrheit deutlich zu werden, die die Verfassungskonformität annimmt. Auch wenn Professor Christian Waldhoff wohl sicher bis zuletzt daran festhalten wird, den Artikel 15 des Grundgesetzes für Berlin außer Kraft gesetzt wissen zu wollen. Aus dem Zwischenbericht lässt sich herauslesen, dass er mit dieser These niemanden gewinnen konnte. Es verwundert deshalb, dass dieser Punkt medial als das letzte große Problem ausgemacht wird.

Nicht einmal vonseiten der SPD, die bekanntlich gegen die Vergesellschaftung kämpft, wird dieser Punkt aufgegriffen. Ob es daran liegt, dass es einem Landespolitiker nie gut zu Gesicht steht, einer Minderheitenmeinung zu folgen, die ihm Kompetenzen – egal wofür – aberkennt, oder vielmehr daran, dass man bei der SPD nicht willens und oder in der Lage ist, die Kontrapunkte zu verstehen und taktisch aufzugreifen, sei dahingestellt.

So oder so ist das politische Diskursniveau der Berliner SPD an einem unterirdischen Punkt angelangt, wenn Frau Giffey aus dem Zwischenbericht nun herleiten will, dass für die Kommission ungeklärt sei, ob auch Wohnungen Vergesellschaftungsgegenstand sein könnten. Dies wird nicht im Ansatz als Problem gesehen.

Oder aber, wenn ihr Senator Geisel behauptet, die Kommission habe die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme konstatiert, während sie in Wahrheit gerade darüber debattiert, ob das verfassungsgerichtlich geschaffene Institut der Verhältnismäßigkeit überhaupt auf den Artikel 15 Grundgesetz anwendbar ist. Das hat in der Folge nicht einmal mehr mit einer Entpolitisierung der Debatte zu tun, sondern mit Verdummung. So gesehen ist es eine weitere Berliner Spezialität zur Verringerung des politischen Diskursniveaus.

Kein konfliktfreier Raum

Wenn nun vor allem die Mehrheitsverhältnisse in der Kommission und das Ringen um diese den spannenden Teil darstellen, ist dies auch eine lehrreiche Pointe. Die Expert*innen wurden ja gerade deshalb konsultiert, um die Lösung in der Versachlichung und Entpolitisierung darzubieten. Nicht, damit sich das Ringen um die Mehrheiten bloß auf ein wissenschaftliches Feld verlagert. Aber es spricht sicher für den intellektuellen wie auch wissenschaftlichen Anspruch der Kommission, dieser eingangs beschriebenen deutschen Sehnsucht nach politikfreien Räumen nicht zu entsprechen, sondern konfliktträchtig zu ringen.

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