Es bleibt wieder mehr Arbeit an Müttern hängen

Finanzielle Belastung laut Umfrage aktuell auf Höchststand – Geringverdienende und Frauen besonders betroffen

Die finanziellen Belastungen sind aktuell für Erwerbstätige wie Erwerbslose höher als zu jedem Zeitpunkt während der Corona-Pandemie. Zu diesem Ergebnis kommt die am Dienstag veröffentlichte Erwerbspersonenbefragung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI). Das Institut, das zur Hans-Böckler-Stiftung gehört, führt die Befragung regelmäßig seit Frühjahr 2020 durch. Demnach stuften im vergangenen Monat 27 Prozent aller Erwerbstätigen ihre finanzielle Lage als stark oder äußerst belastend ein. 

In allen Einkommensschichten geben mehr Befragte als zu Beginn der Befragung an, belastet zu sein – ausgenommen die Einkommensreichsten mit einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen über 5000 Euro. Bei den Einkommensärmsten mit unter 1500 Euro netto im Monat berichten rund die Hälfte von starken und äußersten finanziellen Belastungen. Unter den Befragten mit mittleren Einkommen ist es rund ein Viertel, bei den Einkommensreichsten sind es nur acht Prozent. Viele fühlen sich laut WSI von bisherigen Hilfsmaßnahmen der Regierung nur geringfügig entlastet. Vor allem die Haushalte mit einem Einkommen von weniger als 1500 Euro fühlen sich weniger entlastet als andere und nehmen auch häufiger an, von künftigen Maßnahmen »gar nicht entlastet« zu werden.

Die Daten des WSI zeigen außerdem, dass Frauen mit 31 Prozent deutlich häufiger stark finanziell belastet sind als Männer mit 23 Prozent. Vor allem Mütter sind von Belastungen betroffen. Sie berichten im Hinblick auf die familiäre, finanzielle und Arbeitssituation sowie die Gesamtsituation am häufigsten, äußerst oder stark belastet zu sein. So gaben 40 Prozent der Mütter an, starke oder äußerste finanzielle Belastungen zu haben, nur 27 Prozent der Väter sagten dies. »Kitas und Schulen sind zwar seit langem wieder geöffnet. Aber offenbar sind die Betreuungsausfälle, etwa durch häufige Erkrankungen, so groß, dass die Erwerbstätigkeit mit Kind deutlich beeinträchtigt ist«, erklärt WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch.

Darüber hinaus ist die Verteilung der Sorgearbeit wieder so ungleich verteilt wie vor Beginn der Corona-Pandemie. 63 Prozent der Mütter gaben an, den überwiegenden Teil der Kinderbetreuung zu leisten, während es bei den Vätern sechs Prozent waren. Vor zwei Jahren hatten fast 30 Prozent der Väter, die damals in Kurzarbeit waren, angegeben, währenddessen den Hauptteil der Kinderbetreuung zu übernehmen. Vor der Kurzarbeit hatten sich nur sieben Prozent der Väter häufiger als ihre Partnerinnen um die eigenen Kinder gekümmert. Somit ist also wieder alles beim Alten, trotz der Vorhersage einiger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass die Aufteilung der Sorgearbeit durch die Pandemie gerechter werde. »Im Gegenteil sehen wir eine Verschärfung der Ungleichheit, wenn wir uns die Verteilung der Belastungen zwischen Müttern und Vätern ansehen. Die Aufgabe, die unzuverlässige Betreuung durch Kitas und Schulen zu kompensieren und die psycho-sozialen Folgen der Pandemie aufzufangen, bleibt überwiegend an den Müttern hängen«, resümiert Kohlrausch.

Eine Rolle könnte dabei laut WSI spielen, dass die Homeoffice-Quote auf dem niedrigsten Stand seit Beginn der Untersuchung ist. Bei der aktuellen Befragung gaben weniger als halb so viele Teilnehmer wie auf dem Höhepunkt der Pandemie an, überwiegend oder ausschließlich zu Hause zu arbeiten. Zwar ist der Anteil weiterhin deutlich höher als vor den Corona-Zeiten. Aber »der oft beschworene Paradigmenwechsel weg von der Präsenzkultur im Job lässt sich an diesen Zahlen nicht ablesen«, so WSI-Forscher Helge Emmler. 

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