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Kollektiv gegen die Armut
In Burundi helfen sich Dorfbewohner mit Spargruppen gegenseitig
Größere Geldbeträge aufzubringen, um Vieh oder Werkzeug zu kaufen, ist für die Dorfbewohner*innen in der burundischen Provinz Rumonge beinahe unmöglich. Nach den notwendigen alltäglichen Ausgaben bleibt kaum etwas zum Sparen. Und ohne Sicherheiten ist es auch so gut wie aussichtslos, von Banken Kredite zu bekommen.
Elysée Niyubuntu kennt diese Situation. Er ist vor den politischen Unruhen und Sicherheitskrisen aus Burundi geflohen. Der 33-Jährige hat, wie die meisten der aus dem Exil Zurückgekehrten, für sich und seine Familie von der Regierung ein 300 Quadratmeter großes Grundstück erhalten, auf dem ein Haus mit 35 Quadratmetern Grundfläche steht. In den zwei kleinen Schlafzimmern und dem Wohnzimmer lebt er mit seiner Frau und seinen fünf Töchtern. Landwirtschaft kann er auf dem Grundstück nicht betreiben, auf dem Boden wächst nichts.
»Um meine Familie zu ernähren, musste ich mir bei anderen Personen Gelegenheitsjobs suchen. Hätte ich keine Arbeit gefunden, hätte meine Familie nichts zu essen.« Das änderte sich, als Elysée an einem Training der Organisation d’Appui à l’auto-Promotion (Organisation zur Förderung der Selbsthilfe, OAP) und von SODI teilnahm. »Dabei habe ich viel gelernt«, berichtet er.
Die Schulungen unterstützen die Dorfbewohner*innen mit praktischen Tipps bei der Gründung von Spargruppen. In Burundi, aber auch anderswo in Afrika haben die im Französischen »Tontines« genannten Gruppen, in denen gemeinsam auf ein Ziel gespart wird, eine lange Tradition. Hier knüpft die OAP mit der Gründung von Spargruppen in der Provinz Rumonge an. Allwöchentlich zahlt jedes Mitglied einen kleinen Betrag in einen gemeinsamen Fonds ein, aus dem die Mitglieder nacheinander Kredite erhalten können.
Durch geringe Zinsen und auch durch höhere Beiträge, die sich Gruppenmitglieder im Falle von Mehreinnahmen leisten können, wächst der Fonds mit der Zeit an. Die Mitglieder der Spargruppe beraten gemeinsam, in welche Investitionen Geld fließen soll, und verwalten sich selbst. Wie sie solche Spargruppen organisieren und die Finanzen verwalten können, haben ausgewählte Mitglieder der Spargruppen zuvor in einem viertägigen Workshop gelernt. OAP begleitet die ersten Schritte der Gruppen: Zunächst ein- bis zweimal pro Woche, später dann einmal im Monat, finden Treffen der Mitglieder mit OAP-Mitarbeiter*innen statt. Nach einem halben Jahr eigenständigen Sparens erhalten die Gruppen jeweils eine zusätzliche Anschubfinanzierung.
Mit Unterstützung der Spargruppe hat es Elysée geschafft, seine Lage zu verbessern: »Während ich an den verschiedenen Schulungen des Projekts teilgenommen habe, diskutierte ich viel in meiner Familie und mit meinen älteren Kindern, und wir kamen überein, ein Geschäft zu eröffnen. Also nahm ich einen Kredit von 100 000 Burundi Francs (rund 46 Euro) in der Spargruppe auf, und wir mieteten ein Haus, in dem wir Gäste bewirten. In diesem kleinen Restaurant machen wir 8000 BIF (etwa 3,69 Euro) Gewinn pro Tag.« Das reiche aus, um die Familie zu ernähren und einen Teil des Einkommens anzusparen. Vom Ersparten wolle die Familie nun ihr Restaurant ausbauen und sich eine Ackerfläche oder ein Nutztier kaufen, berichtet Elysée.
Die Verbesserung der Lebensbedingungen in der Region ist Teil der Versöhnungsstrategie von OAP. Konflikte entstehen in der Provinz Rumonge immer wieder aufgrund der knappen Ressourcen. Die Spargruppen tragen zur Verringerung von Existenzängsten der Dorfbewohner*innen bei. Hier kommen Menschen aus verschiedenen sozialen Kontexten zusammen und machen die Erfahrung, dass sie gemeinsam etwas bewegen können.
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