Bundeswehr baut Präsenz in Niger aus

Nach dem Scheitern von EU-Missionen in Mali ziehen die Truppen ins Nachbarland

Die Bundeswehr entsendet demnächst weiteres Militär nach Niger. Eine mindestens zweistellige Anzahl von Soldaten wird sich an der bevorstehenden EU-Mission EUMPM Niger beteiligen, kündigte die Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) vergangene Woche anlässlich einer Reise nach Mali und Niger an. Dort traf sie sich mit Amtskollegen und besuchte Bundeswehrkontingente. Die Bundesregierung engagiere sich außerdem beim Aufbau eines nigrischen Militärkrankenhauses, so die Ministerin.

Die neue »militärische Partnerschaftsmission« haben die EU-Außenminister erst kurz vor dem Abflug Lambrechts beschlossen. Zum Kampf gegen »Terrorgruppen« und zum »Schutz der Bevölkerung« sollen in Niger 250 Soldaten stationiert werden. Das Mandat erstreckt sich auf drei Jahre, die Kosten gibt der tschechische Ratsvorsitz mit 27,3 Millionen Euro an.

In der EUMPM-Mission soll es ausschließlich um die »Beratung und Fachausbildung« von nigrischem Militär gehen. Die Regierung in Niamey will dafür ein neues »Bataillon für Kommunikation und Befehlsunterstützung« aufbauen.

»Die Bundesregierung sollte aus dem gescheiterten Militäreinsatz in Mali lernen und alle deutschen Soldaten umgehend aus der Sahel-Region abziehen«, sagt dazu die Linken-Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen. »Truppen nach Niger zu schicken dient nur dazu, den Uranabbau für Frankreich abzusichern.« Das Land gehört zu den weltweit wichtigsten Abbaugebieten für Uran, im Norden des Landes betreibt der französische Großkonzern Areva seit über 50 Jahren große Minen.

Dem deutschen Verteidigungsministerium gilt Niger als »Stabilitätsanker in der Region«. Für das Nachbarland Mali gilt das nicht. Im Mai 2021 putschte sich eine militärische »Übergangsregierung« an die Macht und warf die ehemalige Kolonialmacht Frankreich aus dem Land. Nach dem anschließenden Ende der französischen Militäroperation »Barkhane« habe sich Sicherheitslage weiter verschlechtert, erklärte die Bundesregierung vor zwei Wochen in der Antwort auf eine Kleine Anfrage.

Auch die Bundeswehr zieht sich schrittweise aus Mali zurück. Die Beteiligung an der EU-Trainingsmission EUTM Mali wurde nach einem Bundestagsbeschluss bereits heruntergefahren, das Personal teilweise nach Niger verlegt. Bis Mai 2024 sollen deutsche Soldaten auch die Mission MINUSMA der Vereinten Nationen verlassen, die Verteidigungsministerin nennt das einen »sehr geordneten Abzug«. Als Grund gilt die Zusammenarbeit des malischen Militärs mit der russischen Söldnertruppe »Wagner«, deren 1500 Mitglieder im Land auch Massaker verübt haben sollen.

Nach ihrer Machtübernahme hat die neue malische Regierung immer wieder Überflug- und Landerechte für deutsche Luftfahrzeuge verweigert und die Vergabe von Visa blockiert. Dies hat unter anderem die Personalrotation und logistische Versorgung der Bundeswehr erschwert.

Bei ihrem Besuch in Mali hat Lambrecht mit dem dortigen Verteidigungsminister Sadio Camara deshalb Bedingungen für den Abzug der rund 1100 deutschen Soldaten aus Mali ausgehandelt. Hierzu gehören eine »Garantie« für die im Februar 2024 geplanten Präsidentschaftswahlen und der Weiterbetrieb der Bundeswehrdrohnen.

Die anvisierte EU-Mission in Niger trifft das deutsche Verteidigungsministerium nicht unvorbereitet. In der Hauptstadt Niamey betreibt die Bundeswehr einen Lufttransportstützpunkt für MINUSMA in Mali. Mit 130 Soldaten hat sich die Bundesregierung außerdem an der Ausbildung von Kampfschwimmern der Marine und dem Aufbau einer »Spezialkräfteschule« beteiligt. Nigrische Soldaten erhielten in dieser Mission »Gazelle« aus Deutschland Schutzausstattung, Geländewagen, Funk- und Nachtsichtgeräte und Geld für »erforderliche Infrastruktur«.

»Die Bundeswehr wäre gern in Mali geblieben«, mutmaßt Christoph Marischka von der Informationsstelle Militarisierung in Tübingen. Die neue Mission in Niger bezeichnet der Forscher als »letzte Chance, im Sahel die EU-Fahne zu hissen«. Zwar handele es sich vorgeblich nur um Beratung und Ausbildung, jedoch ginge diese wie bei »Gazelle« bis zur taktischen Ebene der Truppe. Soldaten könnten demnach vom EU-Militär auch in den Einsatz begleitet werden.

»Es gibt Proteste im Land gegen jede Einmischung aus der EU«, sagt Olaf Bernau vom Netzwerk Afrique-Europe-Interact. Das Problem des Terrorismus sei aber real. Deshalb sieht er die Unterstützung nigrischer Truppen, den Kampf gegen Terrorismus selbst zu führen, unter den gegebenen Umständen als folgerichtig. Das sähen viele Menschen in Niger ähnlich.

In der neuen EU-Mission sollen sich die Militärs auch eng mit der seit zehn Jahren durchgeführten Polizeimission EUCAP Sahel Niger abstimmen. Die daran beteiligten EU-Staaten unterstützen Sicherheitsbehörden in Niger gegen organisierte Kriminalität und Terrorismus. Auch die Bundesregierung entsendet dazu Beamte, vor einem Jahr wurde außerdem die aus Berlin stammende Polizistin Antje Pittelkau zur Leiterin ernannt.

Laut einem Ratsbeschluss dient EUCAP auch zur »wirksamen Kontrolle und Bekämpfung der irregulären Migration«. Dies soll helfen, die Ziele der Union im Bereich der Migration umzusetzen. Zum Mandat gehört die Ausbildung von »mobilen Grenzschutzeinheiten«.

»Egal ob wirtschaftliche Zusammenarbeit, Militärmission, Entwicklungshilfe – die bittere Wahrheit ist, dass die EU jegliche Kooperation mit Ländern in Afrika immer auch an die Migrationsabwehr knüpft«, sagte die linke Europaabgeordnete Özlem Demirel. EUCAP soll auch enger mit Frontex zusammenarbeiten. Dazu hat die EU-Grenzagentur kürzlich ein Arbeitsabkommen mit Niger abgeschlossen, das ebenfalls Hilfe bei der Ausbildung und Ausrüstung vorsieht.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -