Unerwünschte Berichte

Journalistenorganisationen in Frankreich beklagen Einschränkungen der Pressefreiheit und schädliche Marktkonzentration

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.

In Frankreich häufen sich in besorgniserregendem Maße Angriffe auf die Meinungs- und Pressefreiheit, warnen die Liga für Menschenrechte und die Organisation Journalisten ohne Grenzen, die dazu vor Weihnachten eine gemeinsame Pressekonferenz durchgeführt haben.

Das jüngste Beispiel spielte sich bei einem Besuch von Innenminister Gérald Darmanin in Nizza ab. Während der Minister von Bürgermeister Christian Estrosi durch das Stadtzentrum geführt wurde, haben dort Polizisten eine feministische Buchhandlung abgesperrt und ihr Schaufenster mit einer Plane verdeckt. Dort stand ein Buch im Mittelpunkt, in dem die Autorin Beispiele sexistischer Gewalt gegen Frauen durch Politiker oder bekannte Persönlichkeiten aus Film und Fernsehen zusammengetragen und geschildert hat, wie abwehrend die Polizei auf die Klagen der Opfer reagierte.

Die Vermutung liegt nahe, dass hier die Polizei in eigener Sache gehandelt hat, zumal auch ihr oberster Dienstherr Darmanin solcher Übergriffe beschuldigt wird, bisher aber von der Justiz wegen mangelnder Beweise nicht behelligt wurde. Die Inhaberin der Buchhandlung hat gemeinsam mit feministischen Organisationen Anzeige wegen Machtmissbrauch und Angriff auf die Meinungsfreiheit erstattet, um klären zu lassen, wer die Aktion in Nizza veranlasst hat.

Tage zuvor sorgte ein Zwischenfall bei einer Talkshow im privaten Fernsehsender C8 für Medienwirbel. Dort hatte der Abgeordnete Louis Boyard von der Bewegung La France insoumise die Ausbeutung Afrikas durch französische Konzerne angeprangert und als Beispiel auf den Milliardär Vincent Bolloré verwiesen. Daraufhin wurde er durch den Moderator der Sendung Cyril Hanouna in unflätiger Weise beleidigt, denn der Sender gehört Bolloré und Hanouna ist mit ihm seit Jahren eng befreundet. Der Abgeordnete hat sich wegen der Beleidigungen an die Aufsichtsbehörde für Rundfunk- und Fernsehen Arcom gewandt, die den Moderator in der Vergangenheit schon mehrfach wegen ähnlicher Ausfälle mit Strafen belegen musste.

Als Bolloré 2014 die Fernsehgruppe Canal+ übernahm, zu der auch C8 gehört, hat er alle Führungspersonen, soweit sie nicht bedingungslose Gefolgschaft gelobten, entlassen und durch eigene Leute ersetzt. Ein ähnliches »Personalkarussel« gab es auch, als Bolloré vor einem Jahr die Zeitschriftengruppe Prisma mit den Titeln »Geo«, »Voici« und »Capital« aufgekauft hat. Viele Journalisten machten in diesem Zusammenhang von ihrem gesetzlichen Recht Gebrauch, bei einem Wechsel des Eigentümers und damit der editorischen Ausrichtung des Blattes zu kündigen und eine nach Dienstalter gestaffelte Abfindung zu bekommen. Seitdem hat Bolloré, der politisch der extremen Rechten nahesteht, sein Medienimperium stärker in dieser Richtung ausgerichtet.

Noch ist offen, ob ihm auch der Riesendeal gelingt, die finanziell angeschlagene Mediengruppe Lagardère zu übernehmen, zu der beispielsweise der Rundfunksender Europe 1, die Sonntagszeitung »JDD« und die Zeitschrift »Paris Match« gehören sowie die Buchverlagsgruppe Hachette, die er mit seiner Verlagsgruppe Editis verschmelzen will. Darüber berät zur Zeit noch in Brüssel die Wettbewerbsbehörde der EU-Kommission. Wegen der damit drohenden marktbeherrschenden Position Bollorés gibt es dazu starke Bedenken.

Die Organisation Journalisten ohne Grenzen erinnert verbittert daran, dass die Zeiten unter den Präsidenten Nicolas Sarkozy und François Hollande als Angriffe auf den gesetzlich verbrieften Quellenschutz der Journalisten erfolgreich abgewehrt wurden und mehr Rechtssicherheit für »Whistleblower« (Hinweisgeber) geschaffen werden konnte, lange zurückzuliegen scheinen. Inzwischen gibt es neuartige Versuche, die Pressefreiheit auszuhebeln, warnt Dominique Pradalié, der Präsident der Internationalen Föderation der Journalisten FIJ. So ließ vor Wochen der durch einen Sexskandal in die Medien geratene Bürgermeister von Saint-Etienne, Gael Perdriau, dem Nachrichtenportal Médiapart per einstweiliger Verfügung die Veröffentlichung neuer Enthüllungen verbieten. Das sei »nichts anderes als vorbeugende Zensur«, empörte sich Médiapart. Das Portal konnte dieses skandalöse Urteil inzwischen durch die Justiz korrigieren lassen.

Es ist aber zu beobachten, dass immer mehr Kläger nicht mehr über die für Presserechtsfälle zuständige 17. Kammer des Pariser Gerichtshofs, sondern über das Handelsgericht gehen. Dort führen sie als Argument eine angebliche »Verletzung von Geschäftsgeheimnissen« an. So war es kürzlich vor dem Handelsgericht von Versailles, wo der Telefonkonzern Altice des Milliardärs Patrick Drahi gegen Enthüllungen über seine dubiosen Geschäftspraktiken geklagt hat. Hacker hatte den Medien interne Informationen zugespielt. »Wenn das Schule macht, wäre dies das Ende für jeglichen investigativen Journalismus«, warnt die NGO Journalisten ohne Grenzen.

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