Erprobungsstelle »Ost«

Der Ukraine-Krieg bietet erstmals Gelegenheit für den massenhaften Einsatz von Drohnen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Mark Hamill kennt sich aus mit Kampfrobotern. Im »Star Wars«-Filmepos spielte er den Jedi-Ritter Luke Skywalker, der im Cockpit seines Jägers unschlagbar war. Seit einiger Zeit ist der Filmkrieger Botschafter und damit Geldeintreiber für die ukrainische »Armee der Drohnen«. Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sie gleich nach dem Überfall Russlands aufstellen und Tausende Piloten ausbilden lassen. Viele von ihnen lernen, kleine Drohnen über feindlich besetzte Gebiete zu steuern, um der Artillerie Ziele zuzuweisen. Meist handelt es sich um Quadro- oder Multikopter, wie sie seit einigen Jahren im Elektronikhandel verkauft werden. Andere sind in der Lage, über gegnerischen Schützengräben kleine Sprengstoffpäckchen fallen zu lassen. Nicht nur die moralische Wirkung dieser selbstgebauten Sprengsätze ist immens.

Die Ukraine verfügte bereits vor dem Krieg über eine Industrie zur Entwicklung und Fertigung von Drohnen unterschiedlicher Größe. Seit Beginn der Kämpfe um den Donbass im Jahr 2014 sammelte man – so wie die russische Seite – Erfahrungen beim Einsatz unbemannter Systeme. Mit dem russischen Überfall im Februar 2022 stehen in Kiew jedoch vor allem ausländische Drohnenhersteller Schlange, um ihre Produkte an die Front zu bringen. Dort bieten sich ideale Testbedingungen und im Erfolgsfall das passende Werbeumfeld.

So kommt es, dass die Ukraine eine so große Vielfalt von Drohnen einsetzt. Die meisten sind, wie die »Vector« des deutschen Herstellers Quantum-Systems oder die »FlyEye« aus Polen, optische Aufklärungssysteme für den taktischen Fronteinsatz. Ähnliche Starrflügler des Typs »RQ-20« liefert auch der US-Hersteller AeroVironment, der außerdem die etwas kleineren »Quantix« spendete. Dänemark schickte in der gleichen Gewichtsklasse 25 »Heidrun«-Drohnen, die so wie die »Sparrow« aus Spanien Tag und Nacht einsetzbar sind. Sogar das luxemburgische Verteidigungsministerium zeigte sich solidarisch und lieferte sechs »Primoco One« aus tschechischer Fertigung, dabei handelt es sich um Aufklärer mit einem deutlich höheren Abfluggewicht von 150 Kilogramm.

Es gibt daneben auch Kampfdrohnen im Bestand der ukrainischen Luftwaffe und des Heeres. Einige stammen aus dem Konstruktionsbüro von Andrej Tupolew, also aus Sowjetzeiten. Mit Sprengstoff modifiziert sind sie – wie sich bei Angriffen auf russische Stützpunkte zeigt – in der Lage, Schläge in der Tiefe des feindlichen Hinterlandes auszuführen. Wesentlich moderner ist die »Bayraktar TB2« aus der Türkei. Zu Anfang des Krieges galt sie als Superstar unter den fliegenden Kampfrobotern. Ihre anfänglichen Erfolge beim Abschuss russischer Panzer und bei Angriffen auf ungeschützte Nachschubkolonnen gründen sich vor allem darauf, dass die Konstruktion ausgereift ist, aber auch, dass sie offenbar russisches Radar unterfliegen kann. Die »TB2« wurde mittlerweile in verschiedenen Konflikten, darunter in Aserbaidschan, Eritrea, Syrien und Libyen erprobt.

Auch bei den in der Ukraine eingesetzten Kampfsystemen ist das in Kalifornien ansässige Unternehmen AeroVironment im Geschäft. Es hat mit »Switchblade« 300 und 600 sogenannte Loitering-Munition entwickelt. Das sind kleine Drohnen, die mit einem unterschiedlich großen Sprengkopf über Kampfgebieten »herumlungern«. Bietet sich ein lohnendes Ziel, stürzen sie sich darauf und werden dabei zerstört. Die deutsche Rüstungsfirma Diehl Defence hat im vergangenen Jahr die »Libelle« vorgestellt, die nach diesem Prinzip funktioniert. Bekannt geworden ist auch, dass die Ukraine mehrere »Mugin 5« als Loitering-Munition umgerüstet hat und gegen Energieanlagen auf der russisch besetzten Halbinsel Krim ausschickte. Hergestellt werden diese Starrflügler in China, ihr Stückpreis liegt unter 10 000 Dollar. Jede Abfangrakete kostet ein Vielfaches davon.

Die meisten der im Ukraine-Krieg eingesetzten Drohnen haben jedoch wenig mit High-Tech zu tun. Sie sind billige Massenprodukte und einfach zu steuern. Doch nicht einmal diesen Ansprüchen genügen viele der von Russland an der Front eingesetzten Systeme. Sie stammen zumeist noch aus Sowjetzeiten, sind weniger robust und außerdem anfällig für elektronische Störmaßnahmen. Das gilt etwa für Fluggeräte der »Orion«- der »Orlan«- und der »Granat«-Familie. Auch die in russischer Lizenz gefertigten Helikopterdrohnen »Horizon Air S-100«, die eigentlich von Schiebel aus Österreich stammen, sind technisch gesehen veraltet. Das wohl größte Problem: Russland ist beim Bau von Aufklärungs- wie Kampfdrohnen auf Schlüsselkomponenten angewiesen, die man bislang aus Japan, den USA oder Deutschland bezog. Die nun mehrfach verschärften westlichen Sanktionen lassen sich aber umgehen, zeigten jüngst Medienberichte.

Zudem verfolgt Moskau eine andere Art der Drohnenkriegsführung. Man konzentriert sich auf Terrorangriffe gegen die Infrastruktur ukrainischer Städte und attackiert dort die Strom-, Wasser- und Gasversorgung. Lange verfügte Russland nicht über geeignete Kamikaze-Drohnen, doch in Iran wurden Moskaus Einkäufer fündig. Das Militär tauscht nun modernste russische Kampfflugzeuge sowie erbeutete westliche Kampftechnik gegen Tausende iranische Drohnen, die bislang vor allem in Syrien und Jemen sowie gegen Schiffe im Persischen Golf eingesetzt wurden.

Am bekanntesten ist die »Shahed-136«. Sie ist 3,5 Meter lang und hat eine Spannweite von 2,5 Metern. Ausgestattet mit einem hochexplosiven Gefechtskopf kann die Drohne mit rund 185 Kilometern pro Stunde auf programmierte Ziele gelenkt werden. Mit einer Reichweite von 2 500 Kilometern kann sie auch weitab der Front gestartet werden. Nach Medienberichten will Russland nun selbst eine Produktionsstätte für solche großen Kamikaze-Drohnen aufbauen.

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