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Viel oder wenig Wild, das ist hier die Frage
Die Jäger und das Umweltministerium machen unterschiedliche Angaben zu den Beständen in Brandenburgs Wäldern
Ein Übermaß an Wild im brandenburgischen Wald mache jegliche Naturverjüngung unmöglich und behindere auch die gezielte Aufforstung extrem, weil die Rehe junge Triebe wegknabbern. Mit diesem Argument spricht sich das Umweltministerium dafür aus, die Wilddichte durch verstärkten Abschuss deutlich zu reduzieren.
Die Jäger sehen das völlig anders: Ihnen zufolge leben inzwischen viel zu wenig Rehe, Hirsche und Wildschweine im märkischen Wald. Dabei verweisen sie auf Erfahrungswerte: Immer öfter gehen Jäger vergeblich auf die Pirsch und ohne Jagdbeute wieder heim.
Jüngstes Beispiel für schwindende Beute ist der Kreis Oberhavel. Zwar verrieten Ende vergangenen Jahres vielerorts Hinweisschilder mit der warnenden Aufschrift »Treibjagd«, dass die Bestände hier reduziert werden sollen. Doch lagen als »Strecke« am Ende deutlich weniger Dam- und Rothirsche da als in früheren Jahren. Einzig beim Rehwild scheinen die Bestände noch nicht so stark reduziert.
Ende vergangenen Jahres veröffentlichte der Jagdverband eine Stellungnahme, deren Aussagen diametral zu denen des Umweltministeriums stehen. Aufgrund »dramatischer« Rückgänge bei den Wildbeständen, hieß es darin, müsse man Alarm schlagen. Jäger würden kaum noch Wild zum Schießen in den Wäldern finden.
Als Gründe werden unter anderem die Prämien für das Abschießen von Wildschweinen genannt. Angesichts des Auftretens der Afrikanischen Schweinepest wird den Schwarzkitteln bis zur stellenweisen Ausrottung nachgestellt. Dabei darf sogar die früher verbotene Nachtzieltechnik genutzt werden. Auch für alle anderen Wildarten wurde der Jagddruck in den vergangenen Jahren allmählich erhöht. Schonzeiten wurden reduziert.
Einen anderen Blick auf die Situation hat Umweltminister Axel Vogel (Grüne). Er nutzte vor einigen Tagen die Vorstellung des Waldschadensberichtes zum Gegenschlag: Verhältnismäßig wenig Wild habe es in den 60er und 70er Jahren gegeben. Heute sei davon so viel vorhanden, dass nirgends in Deutschland der Verbiss nachwachsender Bäume so vollständig stattfinde wie in Brandenburg.
Auch durch eine intensivere Bejagung werde das Wild in seinem Bestand nicht gefährdet, wohl aber die Neuanpflanzung von Wald besser geschützt, argumentierte der Politiker. In den vergangenen 150 Jahren habe sich die Wildpopulation nie auf eine »kritische Dichte« reduziert, wenn man von den Kriegs- und Nachkriegszeiten absehe, in denen viel gewildert wurde. Die Jagdstrecke des Schalenwilds wird in Brandenburg mit 70 000 bis 90 000 Tieren im Jahr angegeben. Laut Ministerium wäre es wünschenswert und waldverträglich, die Populationen so zu reduzieren, dass man zu den Abschusszahlen der 1970er Jahre zurückkehren könnte. Damals wurden nur rund 30 000 Tiere pro Jahr geschossen. Dies sei ein Indiz dafür, dass es seinerzeit deutlich weniger Wild gegeben habe.
Das Umweltministerium stützt sich auf eine Studie der Stiftung Natur und Mensch von 2009, laut der bei einer zu hohen Wilddichte die biologische Vielfalt der Pflanzenwelt leide. Es sei nicht staatliche Aufgabe, viel Wild vorzuhalten, um »die Jagd attraktiv zu machen«. Naturschutzverbände, der Waldbauernverband und übrigens auch der ökologische Jagdverband, der mit dem klassischen Jagdverband konkurriert, unterstützen diese Sichtweise.
Laut der Studie ist bei einer Schalenwilddichte von 8,5 Tieren je 100 Hektar ein Rückgang der Baumarten um 75 Prozent zu erwarten. Brandenburg gibt derzeit eine Dichte von 8,4 Tieren je 100 Hektar an. Allerdings wird eingeräumt, dass eine sichere Zählmethode nicht existiert. Hinzu kommt, dass Rot- und Rehwild sich viel unruhiger verhält und mehr umherzieht, seit wieder Wolfsrudel Brandenburg durchstreifen. Mit einem geänderten Jagdgesetz wollte Agrarminister Vogel zunächst zu deutlich höheren Abschusszahlen gelangen. Doch mit der Idee, Waldeigentümern die Jagd zu gestatten, wenn sie mindestens zehn Hektar Wald besitzen, kam Vogel nicht durch. Bislang liegt die Grenze bei 150 Hektar, mit Ausnahmegenehmigung bei 75 Hektar.
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