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Immun gegen die Chemiekeule

Japanisches Wissenschaftsteam warnt vor Ausbreitung superresistenter Populationen von Gelbfiebermücken aus Kambodscha und Vietnam

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 5 Min.
Dengue-Mücken werden in Südostasien mit Gift ausgeräuchert.
Dengue-Mücken werden in Südostasien mit Gift ausgeräuchert.

Nicht nur in Indien oder dem Stadtstaat Singapur sind regelmäßig Teams in Schutzanzügen unterwegs, die mit Insektiziden die Brutstätten der Moskitos in Brackwasserflächen, gerade nach Abklingen der jährlichen Monsunregen, »ausräuchern«. Ziel sind vorrangig die Plagegeister mit dem wissenschaftlichen Namen Aedes aegypti, hierzulande unter den Bezeichnungen Ägyptische Tigermücke, Gelbfieber- oder Dengue-Mücke geläufig. Schon die beiden letztgenannten Namen illustrieren, dass diese Spezies die Auslöser einer ganzen Reihe fieberhafter Viruserkrankungen in tropischen Gebieten überträgt. Die Verbreitung nicht nur von Dengue, sondern auch von Zika, Gelbfieber, Chikungunya und anderen wird mit dieser dunklen, im Schnitt knapp vier Millimeter großen Stechmückenart, erkennbar an ihren weißen Streifen an den Beinen, in Verbindung gebracht.

Was speziell das Denguefieber betrifft, so hat sich dieses Problem allein in Indien seit 2012/13 massiv zugespitzt, konstatierte das renommierte Umweltmagazin »Down to Earth« in einem Beitrag vom 11. November. Inzwischen sind alle Regionen, selbst das abgelegene Nagaland im Nordosten und die Inselgruppe der Lakkadiven vor der Südwestküste, nachweislich betroffen, während die Fiebererkrankung zur Jahrtausendwende lediglich in fünf der 29 Unionsstaaten in nennenswertem Ausmaß vorkam. Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht derzeit weltweit von geschätzten 390 Millionen Erkrankungsfällen jährlich aus, in den letzten 50 Jahren hat sich die Zahl der Ansteckungen somit verdreißigfacht.

Zwei bekannte und eine neue Mutation

Das Versprühen von Insektiziden gilt bisher als probates Mittel im Kampf gegen die ursprünglich aus Afrika stammende Gelbfiebermücke, die seit 1762 als eigene Art benannt und eingestuft ist. Doch was, wenn die Moskitos nicht mehr auf die chemische Keule ansprechen? Genau diese Gefahr besteht, so ein japanisches Wissenschaftsteam rund um Shinja Kasai vom National Institute of Infectious Diseases in Tokio. Die Ergebnisse der Studie von Kasai und Kolleg*innen, publiziert kurz vor Weihnachten im Fachmagazin »Science Advances«, lassen die Alarmglocken schrillen. Das Team hat Gelbfiebermücken untersucht, die aus 23 Populationen in fünf Ländern gesammelt wurden. Die Exemplare aus Vietnam und Kambodscha wiesen Mutationen im Genom auf, die die Mücken nahezu immun gegen die herkömmlichen Präparate aus der Kontaktgift-Gruppe der Pyrethroide machen. Die Gifte blockieren bei den Tieren die spannungsabhängigen Natriumkanäle an den Neuronen, was zu einer Art spastischer Lähmung (englisch »knockdown«) und zum Tode führt. Üblicherweise verenden 99 Prozent der besprühten Moskitos. Während die Vergleichsmücken aus Taiwan, Indonesien und Ghana ab einer bestimmten Dosis der Insektizide starben, lebten die Exemplare aus Vietnam und Kambodscha auch bei weit höherer Giftkonzentration weiter.

Genmutationen, die solche Resistenzen hervorrufen, sind kein völlig neues Phänomen. Die mit den wissenschaftlichen Kürzeln V1016G und F1534C kennt die Wissenschaftswelt schon von früher untersuchten Mücken aus Thailand, Malaysia, Myanmar, Indonesien, China, Laos, Sri Lanka, Laos und Saudi-Arabien. Die Kombination aus diesen beiden und in Verbindung mit der neu erfassten Mutation L982W, nun in den »super-resistenten« Exemplaren nachgewiesen, könnte sich aber für den Menschen zum großen Problem entwickeln. Speziell von den Sprühaktionen in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh in jüngster Zeit war bekannt, dass diese kaum noch Effekt hatten, nur ein einstelliger Prozentsatz der Moskitos daran starb.

L982W an sich gilt als wichtigster Faktor für die hohen Resistenzen gegen die Gifte. Noch deutlicher werde dies in Kombination mit anderen Mutationen. Bei einer Probegruppe aus Vietnam zeigten sich 97,6 Prozent (40 von 41 Exemplaren) immun, bei anderen untersuchten Moskitopopulationen sah es ganz ähnlich aus. Insgesamt 1594 Tigermücken, die für die Studie in einem zwölfstufigen Prozess genetisch untersucht wurden, konnten zehn verschiedenen Resistenz-Typen zugeordnet werden. Im prägnantesten Fall brauchte es eine 1000-fache Dosis des Insektizids, damit die Tiere starben. Das ist gegenüber bislang festgestellten Resistenzen noch einmal die zehnfache Widerstandskraft.

Verbreitung der Resistenzen noch unklar

Als »rätselhaft« stuft das Team ein, dass die L982W-Mutation bei keiner der früheren Studien zu Aedes aegypti aus 16 Regionen der Nachbarländer Thailand, Laos und China sowie bei 2017/2018 aus drei Gebieten Nepals untersuchten Tigermücken festgestellt wurde. Es bestehe aber das Risiko, dass sich die Moskitos mit diesen mutierten Allelen (Allele sind die Funktionsformen eines Gens zur Ausprägung eines Merkmals) weiter ausbreiten – von den bisherigen Vorkommen in Vietnam und Kambodscha auf das gesamte Festland Südostasiens, danach auf andere tropische und subtropische Weltregionen. Als Alarmsignal gilt bereits eine Gruppe Tigermücken mit der Kombination L982W+F1534C, die an einem internationalen Flughafen in Japan gefunden worden war.

Das Gefahrenpotenzial für den Kampf gegen die Moskitos lässt sich laut der Studie ebenso davon ableiten, dass insbesondere bei der untersuchten Population der Tigermücke in Phnom Penh die Kombinationen V1016G+F1534C und L199F+L982W+F1534C bereits bei der überwiegenden Mehrzahl (90 Prozent) der dortigen Moskitos vorkommen. Das mache es rund um diese Metropole beinahe unmöglich, ihnen noch mit dem Einsatz von Pyrethroiden zu begegnen. Ob es sich schon um mehr als eine lokale Ausprägung handelt, ist unklar. Dringend angeraten ist aus Sicht der Forschenden deshalb, in Kambodscha nun landesweite Untersuchungen zu diesen Mutationen vorzunehmen.

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