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- Barrierefreiheit
Zu steil für den Rollstuhl
Viele Bahnhöfe am Außenast der U5 sind nicht für alle Fahrgäste zugänglich
Der U-Bahnhof Elsterwerdaer Platz ist durchaus ein Hingucker. Neben einer Treppe sowie einer Rolltreppe führt hier eine lange verwinkelte Rampe auf den Bahnsteig der U5 in Marzahn-Hellersdorf. Am Freitagnachmittag düst ein Kind auf seinem Tretroller die Kurven herunter, während eine ältere Frau auf dem Weg nach oben auf halber Strecke erst einmal mit ihrem Rollator anhält. Sie muss tief ein- und ausatmen. Wer nicht mehr agil ist, für den kommt die Rampe der Station einer kleinen Gipfelbesteigung gleich – wenn man es denn überhaupt bis zur U-Bahn schafft.
»Junge Leute achten vielleicht gar nicht darauf. Ich habe 20 Jahre lang einen Rollstuhl geschoben. Diese Rampe ist nicht barrierefrei«, sagt Petra Ritter, Vorsitzende der Seniorenvertretung Marzahn-Hellersdorf. Das Problem sei nicht nur der Weg nach oben. Auch wenn Rollstuhlfahrer vom Bahnsteig in Dammlage die steile Rampe nach unten benutzten, könnten sie kaum bremsen. Ebenso sei es für alle, die einen Rollstuhl schöben, schwer, ihn bergab zu bremsen.
Ein Stück probiert Ritter es am Freitag dennoch, dann will sich Kristian Ronneburg, Verkehrspolitiker der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, selbst ein Bild machen. Er schiebt den bemannten Rollstuhl mehrere Kurven lang die Rampe bis nach unten. Wo es besonders steil wird, macht er Trippelschritte, den Rollstuhl im festen Griff. Ob er das in 30 Jahren auch noch könne? »Wenn ich fit bin: Ja. Sonst wohl eher nicht.«
In 30 Jahren soll es solche Hürden auf der U5 längst nicht mehr geben. Wenn es nach Ritter, Ronneburg und vielen anderen im Bezirk geht, soll der jetzige Zustand viel schneller behoben werden. Aufzüge könnten Abhilfe schaffen. Doch unter den 30 Bahnhöfen, die berlinweit mit Fahrstühlen nachgerüstet werden, sind weder der am Elsterwerdaer Platz noch die anderen Bahnhöfe der östlichen U5. Ab Biesdorf-Süd gelten bei der BVG alle als barrierefrei, weil es ja nicht nur Treppen, sondern auch Rampen gibt, »auch wenn die 1988/1989 genehmigte Rampenneigung nicht mehr den heutigen Vorgaben entspricht«, wie die Verkehrsbetriebe auf eine parlamentarische Anfrage von Ronneburg hin mitgeteilt haben. Die Kosten, um sieben Bahnhöfe mit einem Aufzug nachzurüsten, würden nach ersten Schätzungen der BVG bei 35 Millionen Euro liegen. Zunächst müsste das Geld im Landeshaushalt bereitgestellt werden, bevor die mehrjährige Planung und Umsetzung beginnen könnte.
»Wo Aufzüge nachgerüstet werden und warum hier ausgerechnet das Ende der Fahnenstange ist, ist interessant«, sagt Ronneburg im ebenerdigen Innenbereich des Bahnhofs, wo sich ein Dutzend Interessierte zusammengefunden haben. So hat einzig die Station Kienberg am Außenast der U5 eine Komplettsanierung inklusive Aufzug erhalten, weil in den Gärten der Welt 2017 die Internationale Gartenausstellung stattgefunden hat. Das seien prestigeträchtige Bauvorhaben, sagt Ronneburg auch mit Blick auf die teuren Ausbauträume der SPD für andere Linien wie beispielsweise die U7. »Die Instandhaltung und Modernisierung bei der U-Bahn bleibt die Kernarbeit.«
Eigentlich könne man sich das auch gar nicht leisten, die U-Bahnhöfe mit solchen Hindernissen ausgestattet zu lassen, sagt Ronneburg. Auch Ritter hat es extra nochmal ausgedruckt: Im Behindertengleichstellungsgesetz steht, dass barriefrei nur bauliche Anlagen und Verkehrsmittel sind, die »ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe« nutzbar sind. Das Personenbeförderungsgesetz des Bundes hatte sich eigentlich einen barrierefreien Nahverkehr bis 2022 zum Ziel gesetzt. Kein Bundesland hat das geschafft.
Erst am vergangenen Mittwoch hat die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung, Christine Braunert-Rümenapf, Bilanz gezogen. 33 U-Bahnhöfe, 237 Straßenbahnhaltestellen, sechs Stationen der S-Bahn seien noch nicht barrierefrei. Hinzu kommen über 6000 Bushaltestellen. Bis Ende des Jahres soll in Berlin ein Gesamtkonzept für die Sicherung der Mobilität von Menschen mit Behinderung erarbeitet werden. Braunert-Rümenapf hofft, dass es bei einer Sanierung der U5-Bahnhöfe auch bei den Rampen zu Veränderungen kommt. »Das ist aber besonders schwierig, weil einige unter Denkmalschutz stehen«, sagte sie am Mittwoch.
Kristian Ronneburg meint, dass das so nicht stimme. Stattdessen gebe es eine Debatte darüber, ob alle Bahnhöfe unter Denkmalschutz gestellt werden müssten oder nur einzelne oder wiederum nur bestimmte Teile der Bauten. Die Senatskulturverwaltung habe hier bereits signalisiert, nicht alles unter Denkmalschutz stellen zu wollen.
Bevor auf den östlichen Bahnhöfen der U5 aber Aufzüge nachgerüstet werden, ist es wahrscheinlicher, dass an diesen auch der Aufzugersatz Muva der BVG hält. Seit Herbst 2022 können mobilitätseingeschränkte Fahrgäste bei fehlenden oder kaputten Aufzügen diesen Rufbusdienst auf der U8 und Teilen der U5 nutzen, nur eben nicht an der oberirdischen Strecke der U5, schließlich gibt es ja Rampen. 2024 soll es das Angebot dann eigentlich berlinweit geben.
Die fehlenden Rampen sind nicht das einzige Problem auf der U5. Fahrgäste müssen derzeit immer wieder mit einem ausgedünnten Takt und Kurzzügen auskommen. Laut einem Sprecher der BVG ist es in den Wochen und Tagen rund um den Jahreswechsel zu einer deutlichen Zunahme von Vandalismus gekommen. »Noch sind nicht alle Schäden abgearbeitet. Das führt dazu, dass vereinzelt Fahrten ausfallen müssen und teilweise nur verkürzte Züge eingesetzt werden können«, heißt es auf »nd«-Anfrage. Züge von anderen Linien lassen sich nicht so einfach auf die Linie der U5 überführen, die Verbindung zum restlichen Streckennetz, der Waisentunnel, kann seit 2017 nicht mehr befahren werden und gilt als nicht sanierungsfähig. Da ist sie wieder: die Kernarbeit der Instandhaltung, die vor allem im Wahlkampf gern in den Schatten so manches Prestigeprojektes gerät.
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