- Wirtschaft und Umwelt
- Axel Troost
Ein moderner linker Polit-Ökonom
Der Wirtschaftswissenschaftler und Linke-Politiker Axel Troost ist im Alter von 68 Jahren verstorben
Axel Troost hat den Kampf gegen eine heimtückische Krankheit nicht gewonnen. Er starb am vergangenen Freitag in Leipzig im Alter von 68 Jahren. Im wahrsten Sinne des Wortes ist er mitten aus der wissenschaftlichen und politischen Arbeit gerissen worden. Noch auf dem Krankenbett dachte er über sein neues Buchprojekt über das soziale Gift Inflation nach. Auch war schon die Einladung der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik zur Arbeit am »Memorandum 2023« fertig. Sein begnadetes Organisationstalent hielt die Gruppe linker Ökonomen gegen alle Widrigkeiten zusammen. Drei Mal im Jahr rief er zu Treffen in die Verdi-Bildungsstätte »Buntes Haus« nach Sennestadt. Hinzu kam die jährliche Sommerschule, bei der die Memo-Positionen im Rahmen eines interaktiven Bildungsseminars aufgearbeitet wurden. Viele andere Aktivitäten wie die Gründung und Arbeit des Instituts Soziale Moderne kamen hinzu.
Axel Troost war im besten Sinne ein moderner linker Polit-Ökonom. Gegenüber dem oftmals mit herrschenden Interessen verknüpften neoliberalen Mainstream ging es ihm um eine Wissenschaft, die einer sozial gerechten und ökologisch nachhaltigen Wirtschaft dient. Als Wissenschaftler war ihm durchaus die Marx’sche Analyse der kapitalistischen Gesellschaft mit dem systemischen Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit wichtig. Allerdings wandte er sich gegen die Naivität, heutige Erfordernisse eins zu eins daraus abzuleiten. Gegen die Praxis gestanzter linker Gewissheiten entwickelte er seine Theorie des Kapitalismus weiter, empirisch fundiert und den realen Verhältnissen angemessen. Diese dialogische Offenheit brachte ihm viel Anerkennung auch vom politischen Gegenüber ein.
Wissenschaft als abgeschiedene Veranstaltung im universitären Elfenbeinturm war ihm verpönt. Vielmehr, so sein Credo, ist sie verpflichtet, einer gerechten und ökologisch verantwortlichen Gesellschaft zu dienen. Und dazu gehört der Mut zum politischen Engagement. Er war bei der Gründung der Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit dabei, war maßgeblich an der Verschmelzung der WASG mit der PDS zur Partei Die Linke beteiligt und übte für diese ein Bundestagsmandat aus (2005 bis 2017 und noch einmal 2021). Viele Jahre war er stellvertretender Parteivorsitzender der Linken. Seine Fachkompetenz brachte er im Finanzausschuss des Bundestags ein. Sein Parteiengagement verknüpfte er mit Aktivitäten in außerparlamentarischen Bewegungen. Neben seinem Engagement als Geschäftsführer der Memo-Gruppe war er auch als Manager kritischer wirtschaftswissenschaftlicher Beratung tätig. Dazu zählte die Gründung des Progress-Instituts für Wirtschaftsforschung in Bremen, das Forschungsprojekte auch zu lokalen Themen durchführte. Sein Engagement für die nach der deutschen Einigung erforderliche Wirtschaftsstrukturpolitik konzentrierte sich auf das Büro für Strukturforschung in Rostock.
Wissenschaftlich und politisch wirksam hinterlässt Axel Troost bedeutsame Erkenntnisse und nachwirkende Erfolge: Bereits in seiner Dissertation analysierte er die ökonomisch-fiskalischen Grundlagen der Staatsverschuldung; Arbeitsergebnisse, die er 1982 aus Marburg an die Universität Bremen mitbrachte. Damit stellte er, seiner Zeit weit voraus, die Weichen für die Kritik an der Schuldenbremse.
An der Universität Bremen war er maßgeblich im Forschungsprojekt zur Reform des Finanzsystems des föderalen Bundesstaates aktiv. Dieses Thema griff er als Bundestagsabgeordneter in den Kommissionen »Föderalismusreform I und II« wieder auf. Sein Einfluss auf die Umsetzung zumindest einiger Regulierungen auf den Finanzmärkten nach dem Beinahezusammenbruch 2008/2009 ist unbestreitbar. Als Mitglied im Finanzausschuss des Bundestages setzte er sich für einen stärkeren Verbraucherschutz sowie die Bändigung der unverantwortlich eingesetzten Macht der Banken ein. Hierbei bekam er viel Zustimmung auch von Kolleginnen und Kollegen der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen.
In den letzten Monaten konzentrierte sich seine Arbeit auf die Ursachen und die Wirkung der Inflation zu Lasten der unteren Einkommensbezieher. Während in der öffentlichen Debatte der importierte Angebotsschock über die Energiepreise betont wurde, kritisierte er auch die monopolistische Preistreiberei. Gegen das Szenario einer »Lohn-Preis-Spirale« sprach er von der durch Marktmacht getriebenen »Preis-Preis-Spirale« und damit einem neuen Typ der »Gierflation«.
Eine Vielzahl von Axel Troosts Publikationen wurden in seiner Funktion als Senior Fellow für Wirtschafts- und Europapolitik bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung veröffentlicht. Hinzu kamen seine medialen Auftritte. Was fehlen wird, ist sein Newsletter, der an über 1000 Personen ging. Darin fanden sich, teils schwer zugängliche, Texte aus dem linken ökonomischen Spektrum oder auch schon mal Positionspapiere von Bundesregierung und Ministerien.
Axel Troost vertrat eine moderne linke Polit-Ökonomie, die sich nicht zu schade ist, auch kleine Reformschritte zu wagen. Dies bewies er vor allem mit seinem Einfluss auf die reformierte Regulierung der Finanzmärkte. Der Vorwurf, das sei alles nur ein öder Inkrementalismus, der am Ende die kapitalistischen Herrschaftsverhältnisse stabilisiert, konnte ihn nicht erschüttern. Es ging ihm, wie es einmal Karl Marx zu den (kleinsten) Erfolgen der Lohnpolitik geschrieben hat, »um den Sieg des Prinzips«. Dieser linke Pragmatismus hat nichts mit Opportunismus zu tun. Er erreichte damit auch eine Dialogfähigkeit zugunsten linker Positionen.
Viele fragten sich, woher Axel Troost eigentlich die Kraft für sein gigantisches Engagement nimmt. Selbst wenn er mal poltern musste, Humanität prägte durch und durch seinen Charakter. Gerade denjenigen, die in prekäre Arbeitsverhältnisse gezwungen wurden, hat er geholfen. Seine Kraft schöpfte er aus seiner geliebten Familie, seiner Frau, seiner Tochter und seinem Sohn.
Axel Troost ist nicht mehr unter uns, aber hat uns sein Werk hinterlassen. Nicht nur die Linke in Deutschland kann von ihm, der seine Gegner im rationalen Diskurs respektiert hat, lernen. Es wird zwar sehr schwer, aber die Memorandum-Gruppe muss und will auch in seinem Geiste die Arbeit für linke Wirtschaftspolitik fortsetzen.
Unser Autor ist emeritierter Professor für Finanzwissenschaften an der Universität Bremen und Vorsitzender der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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