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  • Politik
  • Sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend

Raum für Austausch

»Aus unserer Sicht« ruft Betroffene sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend bundesweit zur Beteiligung auf

  • Ulrike Wagener
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Stimme von Renate Bühn klingt energisch: »Betroffene sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend haben ein vielfältiges Expertenwissen. Es gibt aber kein strukturell verankertes Netzwerk. Das wollen wir mit ›aus unserer sicht‹ ändern«, erklärt sie »nd.DerTag«. Alles andere sei unbezahlte Arbeit. Bühn weiß, wovon sie redet. Seit den Achtzigerjahren ist die Künstlerin und Sozialpädagogin in der Betroffenenbewegung aktiv, seit 2015 sitzt sie im Betroffenenrat, der die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) der Bundesregierung ehrenamtlich berät. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass bis zu eine Million Kinder und Jugendliche in Deutschland bereits sexuelle Gewalt durch Erwachsene erfahren mussten oder erfahren.

Nun hat die 60-Jährige mit einer Kerngruppe aus insgesamt sechs Mitgliedern den Prozess zur Gründung eines bundesweiten Netzwerks von Betroffenen für Betroffene sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend angestoßen. Den Gründungsprozess finanziert die amtierende UBSKM Kerstin Claus mit 300 000 Euro. Darüber hinaus strebt die Kerngruppe eine Mischfinanzierung an. »Damit sich Betroffene im Kampf gegen sexualisierte Gewalt in ihren Initiativen gegenseitig stärken können, ist ein selbstständig agierendes Netzwerk notwendig«, sagt Claus. Am Mittwoch beginnt der Beteiligungsprozess, in dem alle Betroffenen ab 16 Jahren ihre Ideen, Wünsche und Bedenken in Form eines Fragebogens beisteuern können. Von März bis September sind digitale Austauschgruppen geplant und im November ein Kongress. Das Netzwerk, das bisher virtuell zusammenarbeitet, will Betroffene bundesweit empowern (ermächtigen) und ihnen politisch und gesellschaftlich Gehör verschaffen.

»Es braucht strukturelle Veränderungen«, sagt Bühn. Bislang sei es häufig so, dass Betroffene in Strafverfahren oder solchen nach dem Opferentschädigungsgesetz scheiterten: Verfahren eingestellt werden oder Täter*innen trotz Offenlegung in der Familie verblieben und die Betroffenen damit alleingelassen werden. Zwar gebe es schon jetzt viele Initiativen von Betroffenen und den Eckigen Tisch, der Betroffene sexueller Gewalt in der Kirche unterstützt. Es brauche aber langfristige und strukturell verankerte Perspektiven für Betroffene aller Tatkontexte, zu denen neben der Kirche auch der Sport und insbesondere auch die Familie zählen. Neben der finanziellen Absicherung betont Bühn: »Es kann nur ein Schutzraum entstehen, wenn klar ist, dass keine Täter*innen involviert sind.« Das sei ein wichtiges Signal für Betroffene. Außerdem schließe die Gruppe rassistische, sexistische, trans- und homofeindliche, antisemitische und andere diskriminierende Haltungen aus.

»Das Netzwerk möchte eine Vielfalt von Betroffenen erreichen und insbesondere auch marginalisierte Gruppen einbinden und Menschen, die sich bisher noch nicht angesprochen gefühlt haben«, sagt Bühn. Zu diesem Zweck soll mit Dolmetscher*innen auch für Gebärdensprache gearbeitet, notwendige Kosten für eine Beteiligung erstattet und Expertise angemessen bezahlt werden. Website und Fragebogen stehen in deutscher Gebärdensprache und leichter Sprache zur Verfügung. Eine Beteiligungslücke sieht sie derzeit noch bei Geflüchteten und anderen Rassismusbetroffenen: »Wir sind darauf angewiesen, dass unser Aufruf weitergetragen wird.«

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