- Politik
- Greta Thunberg
Tausende demonstrieren gegen Abbaggerung von Lützerath
Aktivistin Thunberg: »Die Kohle muss im Boden bleiben« / Polizei geht auf friedliche Demonstranten los
Erkelenz. Tausende Menschen haben am Samstag nahe der Ortschaft Lützerath gegen die Räumung der Siedlung und deren drohende Abbaggerung für den Braunkohleabbau demonstriert. »Die Kohle muss im Boden bleiben«, forderte die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg, die ebenso wie Luisa Neubauer von Fridays for Future an den Protesten teilnahm. Die Veranstalter sprachen am Nachmittag von 35.000 Demonstrierenden, die Polizei gab die Zahl mit bis zu 10.000 an.
»Wir müssen die Zerstörung dieses Planeten stoppen«, rief Thunberg auf der Kundgebung zum Handeln gegen die Klimakrise auf. »Die Menschen an der Macht handeln jedoch nicht«, kritisierte sie. Dies sei »Verrat an den künftigen und gegenwärtigen Generationen.« Thunberg hatte bereits am Freitag Lützerath besucht und dabei »Polizeigewalt« angeprangert.
»Mit unseren Fußabdrücken im Schlamm markieren wir die 1,5-Grad-Grenze für die Rettung des Klimas hier an der Abbruchkante«, sagte der Vorsitzende des Umweltverbands BUND, Olaf Bandt. Werde die Kohle unter Lützerath verbrannt, seien die Vorgaben des deutschen Klimaschutzgesetzes nicht mehr einzuhalten. Das Versprechen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), »Klimakanzler« sein zu wollen, sei »nichts als Schall und Kohlerauch«.
Die Polizei räumt Lützerath seit Mittwoch und ist dabei inzwischen weit fortgeschritten. Am Freitag mussten Aktivistinnen und Aktivisten ein letztes besetztes Gebäude verlassen. Allerdings hielten sich zunächst weiter Demonstrierende auf Bäumen sowie in einem selbst angelegten Tunnelsystem auf. »Wir hoffen, dass das auch eine Methode ist, die die Räumung weiter hinauszögert«, sagte dazu die Sprecherin der Initiative »Lützerath lebt«, Bente Opitz.
Die Polizei hat am Samstag unterdessen Demonstranten gewaltsam zurückgedrängt, die versuchten, bis zur Kante des Braunkohletagebaus vorzudringen. Das bestätigte ein Polizeisprecher. Auch setzten die Beamten Wasserwerfer gegen Demonstranten kurz vor dem abgeriegelten Lützerath ein. Das beobachtete eine dpa-Reporterin am Samstag. Bilder im Kurznachrichtendienst Twitter zeugten von aggressiv auftretenden Polizisten, die auf friedliche Demonstranten losgingen. Tweets zeugten von brutalen Fixierungen und Schlagstockeinsätzen. Zahlreiche Verletzte soll es den Angaben zufolge gegeben haben.
Die Räumung erfolgt auf Grundlage einer Vereinbarung des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen mit dem Energiekonzern RWE. Dieser sieht auf der anderen Seite auch ein Vorziehen des Kohleausstiegs in dem Bundesland auf 2030 vor.
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und Landeswirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) verteidigten indes die Räumung. Wüst sagte im Deutschlandfunk, die Debatten seien »alle geführt.« An einem bestimmten Punkt sei »eine Sache auch entschieden«. Neubaur erklärte im WDR, die »sehr klimaschädliche« Kohle unter Lützerath werde für die Energiesicherheit benötigt.
Innerhalb der Grünen ist die Vereinbarung mit RWE heftig umstritten. Die Grüne Jugend unterstützt die Proteste und spricht von einem Bruch des Pariser Klimasabkommens. Auch andere Vertreterinnen und Vertreter der Grünen beteiligten sich an den Protesten. Ein offener Brief der Grünen-Basis, der sich gegen die Vereinbarung zur Abbaggerung und gegen die Räumung von Lützerath wendet, wurde bis Samstagnachmittag von mehr als 2500 Parteimitgliedern unterzeichnet.
Derweil erklärt sich die Linke solidarisch mit den Protesten in Nordrhein-Westfalen. »Unsere Solidarität gilt den Menschen, die Lützerath verteidigen«, sagte Parteichefin Janine Wissler anlässlich eines Spitzentreffens der Linken in Berlin.
In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.