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Das Feigenblatt ist gefallen
ProFans wirft DFB und DFL Scheinheiligkeit vor und löst sich auf
Gut möglich, dass bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) in Frankfurt am Main in dieser Woche bereits fleißig an einer neuen Kommunikationsstrategie gefeilt wird, um die Eigenwahrnehmung als Interessensvertreterin einer sympathisch-geerdeten Liga, nun ja, nachzuschärfen. Seit vielen Jahren versuchen der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und die DFL zu erklären, dass das hiesige Fußballmodell doch viel volkstümlicher und demokratischer sei als beispielsweise die englische Premier League. Schließlich gebe es in deutschen Stadien noch Stehplätze und damit erschwingliche Tickets. Zum anderen sei man im ständigen Dialog mit den beiden größten Fan-Dachverbänden: ProFans und Unsere Kurve, die man ständig und gerne erwähnt.
Künftig wird es allerdings nur noch eine Organisation geben, die zu Gesprächen nach Frankfurt reist. ProFans hat sich am Wochenende nach mehr als 20 Jahren des Bestehens aufgelöst und als Begründung eine Generalabrechnung mit DFB und DFL angehängt, die es in sich hat: Beide seien »ideell und inhaltlich am Ende«, heißt es einleitend. Und während viele Fans bei ihrer Kritik am offiziellen Fußball ausschließlich den DFB ins Visier nehmen, bekommt hier vor allem der Ligaverband DFL sein Fett ab. Der sei ein »inhaltsleeres Finanzkartell, um das Rattenrennen Profifußball zu finanzieren«. Es herrsche »nackte Panik um die TV-Gelder«, einziger Daseinszweck des Verbandes sei das »Geschäftsmodell des ›Immer mehr‹«.
Der DFB sei seinerseits mit internen Skandalen beschäftigt und habe darüber »völlig den Kontakt zur Basis verloren«. Die Aktivistinnen und Aktivisten von ProFans hätten jedenfalls keine Lust mehr auf die »ewig sinnlosen Diskussionsrunden«, in denen man als Feigenblatt herhalten müsse. Die Dialogformate seien »reine PR-Maßnahme« für den ausschließlich profitorientierten Bundesligafußball.
Diese Sichtweise unterscheidet ProFans im Übrigen von Unsere Kurve, die inhaltlich ähnliche Kritik an den Verbänden äußert, aber gerne die Rolle als verlässlicher Diskussionsrunden-Teilnehmer einnimmt. Als der DFB nach der harschen Kritik an der WM in Katar im September eilends einen (natürlich unverbindlichen) Menschenrechtskongress einberief, nahm UK teil und versuchte nicht ohne Erfolg, das Ganze als Podium für die eigene Kritik an Katar zu nutzen.
ProFans hingegen boykottierte die »Alibiveranstaltung«: Die habe »offensichtlich eher die Funktion, das Gewissen der DFB-Führung zu beruhigen und den Verband in der Öffentlichkeit als engagiert in Sachen der Menschenrechte darzustellen«, schrieb man damals. Das unwürdige Lavieren in der Menschenrechtsfrage, heißt es, habe in der Organisation endgültig den Ausschlag für einen Bruch mit den Verbänden gegeben. In der aktiven Fanszene, die man vertrete, gebe es niemanden mehr, der der anderen Seite aufrichtigen guten Willen attestiere.
Am Wochenende begründete man das ziemlich lautstarke Zerreißen des eh schon dünnen Tischtuches mit den Verbänden dann auch des Weiteren mit der Frage der »Finanzierung der KOS«. Das dürfte die Passage sein, die im Gegensatz zum Rest des Schreibens am schwersten zu verstehen ist. Umso interessanter ist sie: Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit torpedieren nämlich DFB und DFL die Aufstockung des Etats für die »Koordinierungsstelle der Fanprojekte (KOS)«, dem Dachverband für die über 70 bundesweit agierenden Projekte, die für Anhänger von der 1. Bundesliga bis hinunter zur Oberliga sozialarbeiterisch tätig sind.
Die KOS bekommt seit 2012 das gleiche Geld, hat seither aber ein Vielfaches ihrer ursprünglichen Aufgaben zu schultern. Die 550 000 Euro per anno werden zur Hälfte von DFB und DFL getragen, zur anderen vom Bundesministerium für Soziales und Familie, das eine Aufstockung um 100 000 Euro bereits zugesichert hat. Dass die Verbände ihrerseits – unter Hinweis auf ihre angeblich angespannte Finanzlage – nun angeblich keine 50 000 Euro mehr pro Jahr haben sollen, um die sonst so gerne gelobte Sozialarbeit adäquat zu finanzieren, kommt dann auch nicht nur ProFans wie blanker Hohn vor.
Dass die Aktivisten von ProFans nach all den Jahren ins innere Exil gehen, ist nicht anzunehmen: »Statt leise ›Ciao‹ zu sagen, brüllen wir den Einpeitschern des sogenannten modernen Fußballs lieber ein feuchtfröhliches ›Fickt euch‹ entgegen«, heißt es abschließend bewusst derbe. »Wir bleiben unbequem, unangepasst und in der Sache vereint. Dafür braucht es keine Institution. Sondern einfach nur Power. Und die haben wir.« Es ist davon auszugehen, dass die Aktivisten in ihren Vereinen und innerhalb ihrer seit Jahrzehnten geknüpften Netzwerke weiteragieren. Die Fahrten nach Frankfurt, die sie rückblickend als pure Zeitverschwendung empfunden haben, werden sie sich allerdings nun sparen.
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