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Blockadebündnis gibt den Weg frei
»Dresden nazifrei« hat Nazis die Aufmärsche am 13. Februar erfolgreich verleidet und sich nun aufgelöst
Am 13. Februar 2010 stand der heutige Thüringer AfD-Fraktionschef Björn Höcke zusammen mit 5000 weiteren Rechtsextremen vor dem Bahnhof Neustadt in Dresden und war frustriert. Sie wollten an diesem Datum mit einem Trauermarsch an die Bombardierung der Stadt 65 Jahre zuvor erinnern und mit Verweis auf deren Opfer die deutsche Kriegsschuld relativieren. Zu ähnlichen Aufzügen waren in den Jahren davor bis zu 8000 Nazis gekommen, es war die größte Szeneveranstaltung in Europa. Doch an diesem Samstag ging nichts mehr – weil die umliegenden Straßen von mehr als 10 000 Menschen blockiert wurden. Verantwortlich für diesen aufsehenerregenden Erfolg war das Bündnis »Dresden nazifrei«, das 2009 gegründet worden war. Jetzt, 14 Jahre später, hat es sich aufgelöst. Man habe »Platz gemacht für einen kollektiven Neuanfang«, heißt es in einer Erklärung, die in den sozialen Medien verbreitet wurde.
Die Entscheidung fiel bereits vor zwei Monaten, wurde aber erst jetzt, kurz vor dem 78. Jahrestag der Zerstörung Dresdens, bekannt gemacht. Auch für diesen Tag wird wieder mit rechtsextremen Aktivitäten gerechnet. Offiziell bekannt ist eine Anmeldung der Splittergruppe »Wellenlänge«. Ob und wann der von einem örtlichen NPD-Politiker organisierte alljährliche »Trauermarsch« stattfindet, ist offen. Auch dagegen wird es Widerstand geben. Ein im November gegründeter Zusammenschluss, der aber bisher weder einen Namen noch eine Online-Präsenz hat, wolle dafür sorgen, dass die Nazis »nicht wieder fast ungestört durch die Stadt laufen können«, heißt es in der Erklärung. Die Stadt Dresden ruft anlässlich des historischen Datums zudem erneut zu einer Menschenkette auf. Das Bündnis »Dresden nazifrei« wird sich an den Aktivitäten nicht mehr beteiligen. Es habe, teilt es mit, seinen »Zweck erfüllt«.
Dieser lässt sich sehr knapp umreißen: Es ging darum, den europaweit größten Naziaufmarsch mit Hilfe von Massenblockaden zu verhindern. An dem Ansatz war zweierlei bemerkenswert: zum einen das unverhohlene Bekenntnis zu kollektivem zivilem Ungehorsam und zum anderen der Umstand, dass sich daran von autonomen Antifa-Gruppen bis zur Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus viele Akteure ganz unterschiedlicher politischer Herkunft beteiligten, die ihre Differenzen dem gemeinsamen Ziel unterordneten. Von einem »Spektren übergreifenden Ansatz« war die Rede. Zudem galt das Prinzip, alle Entscheidungen im Konsens zu fällen. Beides ist in der linken Szene alles andere als selbstverständlich. In Dresden aber »haben wir bewiesen, dass es geht«, sagt Silvio Lang, der von 2012 bis 2016 Sprecher des Bündnisses war.
Der Fokus auf Blockaden rückte das Bündnis in den Fokus der Sicherheitsbehörden. Es habe einen »ständigen Kriminalisierungsdruck« gegeben, sagt Lang und erinnert daran, dass die Polizei bereits 2010 in Räumen der Linkspartei, die »Dresden nazifrei« nutzte, Plakate beschlagnahmte. Im Raum stand die Vermutung, dass Behörden, ähnlich wie gegen andere Antifa-Strukturen etwa um den Jenaer Pfarrer Lothar König, auch gegen das Bündnis nach Paragraf 129 wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelten. Erhärten ließ sich diese nie.
Auf Widerstand stieß auch der erinnerungspolitische Ansatz des Bündnisses, dessen wesentliche Akteure anfangs nicht aus Dresden, sondern von außerhalb kamen. Er erschütterte den Opfermythos, den große Teile der Stadtgesellschaft bis dahin gepflegt hatten, der von Bombenangriffen auf eine »unschuldige« Stadt ausging und der rechtsextremen Szene viele Anknüpfungspunkte lieferte. »Dresden nazifrei« setzte dem ab 2011 Aktionsformen wie den »Mahngang Täterspuren« entgegen, der die Rolle Dresdens im NS-System beleuchtete. Dieses Format werde weitergeführt, sagt Margot Gaitzsch, langjährige Moderatorin des Mahngangs. In diesem Jahr findet er am 19. Februar statt und dreht sich um eine Ausstellung über »Entartete Kunst«, die vor 90 Jahren im Dresdner Rathaus stattfand. In Zukunft soll sich eine eigene Gruppe um die Vorbereitung der Mahngänge kümmern.
Dass »Dresden nazifrei« nicht mehr fortgeführt wird, kommt nicht gänzlich überraschend. Entsprechende Überlegungen gab es bereits 2015. Schon damals konnte die eigentliche Mission als erfüllt angesehen werden: Der Trauermarsch der Nazis war 2012 faktisch ausgefallen, fand danach nur mit extrem verringerter Teilnehmerzahl statt und verlor stetig an Bedeutung. Er hätte es damals für richtig gehalten, »erhobenen Hauptes Platz für neue Strukturen zu machen«, sagt Lang. Zuvor hatte es mit dem Aufkommen von Pegida neue Herausforderungen gegeben. »Dresden nazifrei« suchte diese anzunehmen und das aufwendige Blockadekonzept vom 13. Februar auf die wöchentlichen »Spaziergänge« der Islamfeinde anzuwenden, mit eher durchwachsenem Erfolg. Mit »Dresden für alle« oder »Herz statt Hetze« entwickelten sich in der Stadt wirksamere Aktionsformen. »Dresden nazifrei« verabschiedet sich nun erst sieben Jahre später, begleitet von Misstönen: Einige Aktive erklären, die Auflösung sei »nicht einvernehmlich« erfolgt, und sprechen in einem Statement sogar von »Zersetzung«. Silvio Lang will die Erfolgsbilanz indes nicht getrübt sehen: »Seinen ursprünglichen Zweck hat das Bündnis voll und ganz erfüllt.«
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